Antworten auf Althusser - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Die erkenntnistheoretischerl Auffassungen <strong>Althusser</strong>s 941<br />
hussers Vorgehen deutlich: die Verschiebung der Frage nach der<br />
Objektivität (also der Gegenstandsdeterminiertheit) der Erkenntnis<br />
<strong>auf</strong> die Suche nach einem Erkenntnis„mechanismus" führt ihn<br />
schließlich zu nicht mehr hinterfragbaren „spezifischen Formen" des<br />
„wissenschaftlichen Diskurses", die den Erkenntniseffekt garantieren,<br />
und „spezifischen Formen", die eine „wissenschaftliche Produktion"<br />
von Erkenntnissen sicherstellen. Eine schlichte Tautologie: eine<br />
wissenschaftlich produzierte und wissenschaftlich präsentierte Erkenntnis<br />
ist eine wissenschaftliche Erkenntnis. Ihre Produktion, das<br />
heißt die theoretische Praxis, „ist ihr eigenes Kriterium. Sie enthält<br />
in sich definierte Bestimmungen <strong>für</strong> die Validierung der Qualität<br />
ihrer Produkte, d. h. die Kriterien <strong>für</strong> die Wissenschaftlichkeit der<br />
Produkte wissenschaftlicher Praxis" 79 . Der Erkenntnisprozeß hat<br />
seine Determination in ihm selbst: Kriterium der Wahrheit seiner<br />
Resultate sind die Formen ihrer Produktion und nicht die „Versicherung"<br />
einer „äußeren" Praxis — <strong>für</strong> <strong>Althusser</strong> „die ideologische<br />
Frage par excellence", in deren „geschlossenem Zirkel" sich alle bisherige<br />
Erkenntnistheorie gedreht hat 80 . Die Fehldeutung wird<br />
durch die Wortwahl unterstützt: „... es genügt, das Wort Praxis<br />
auszusprechen, das — in seiner ideologischen (idealistischen oder<br />
empiristischen) Bedeutung — nur das Spiegelbild oder die Gegenkonnotation<br />
der <strong>Theorie</strong> ist (das ,Gegensatz'paar <strong>Theorie</strong>/Praxis bildet<br />
die Terme eines Spiegelfeldes), um das Wortspiel zu enthüllen,<br />
das der Sitz dieser Auffassung ist. Es gilt zu erkennen, daß es keine<br />
Praxis im allgemeinen, sondern voneinander unterschiedene Praxisformen<br />
gibt..." 81 Man sieht, wie sich hier der Zirkel — diesmal <strong>Althusser</strong>s<br />
eigener — schließen läßt: Die <strong>Theorie</strong> ist eine dieser Praxisformen<br />
— und als Praxis demnach ihr eigenes Kriterium. So löst sich<br />
das Problem des Verhältnisses von <strong>Theorie</strong> und Praxis <strong>auf</strong>, besser:<br />
es erweist sich als ein Scheinproblem, <strong>auf</strong> das, so <strong>Althusser</strong>, auch<br />
Engels hereinfiel, dessen „nahrhaftes, wahrscheinlich aus Manchester<br />
bezogenes Argument, wonach die Probe <strong>auf</strong> einen Pudding darin<br />
besteht, daß man ihn ißt" 82 , den Teufelskreis der Ideologie nicht zu<br />
durchbrechen vermag. <strong>Althusser</strong>s Vorschlag, aus dem „geschlossenen<br />
Zirkel" der <strong>Theorie</strong>-Praxis-Beziehung auszubrechen in die „offene"<br />
Struktur der theoretischen Praxis, erweist sich jedoch als Rückzug<br />
in die Sackgasse einer <strong>Theorie</strong>, die sich, um sich freizuhalten von den<br />
Verunreinigungen der „Außenwelt", letztlich <strong>auf</strong> eine <strong>Theorie</strong> des<br />
Lesens und Schreibens von Texten reduzieren muß. Es verwundert<br />
nicht, wenn <strong>Althusser</strong>s wissenschaftstheoretische Reflexionen über<br />
das ,Kapital' von Karl Marx, die den Anspruch erheben, dessen eigene<br />
Epistemologie zu explizieren, mit der Exposition einer „<strong>Theorie</strong> des<br />
Lesens" anheben, um beim Problem des „Schreibens" wissenschaft-<br />
79 LLC I S. 71/DKL S. 78.<br />
80 LLC I S. 69/DKL S. 76.<br />
81 LLC I S. 69/DKL S. 76.<br />
82 LLC I S. 68/DKL S. 74.<br />
DAS ARGUMENT 94/1975 ©