Antworten auf Althusser - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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930 Hans Jörg Rheinberger<br />
1.3. Die „theoretische Praxis"<br />
In Analogie zu dieser Strukturbestimmung der Praxis im allgemeinen<br />
kann <strong>Althusser</strong> nun die besondere Struktur der theoretischen<br />
Praxis definieren. Auch dazu bezieht er sich <strong>auf</strong> eine Stelle bei Marx,<br />
die wir zur Orientierung anführen. Sie findet sich in der „Einleitung"<br />
von 1857 zu den „Grundrissen": „Für das Bewußtsein daher — und<br />
das philosophische Bewußtsein ist so bestimmt —, dem das begreifende<br />
Denken der wirkliche Mensch und daher die begriffne Welt als<br />
solche erst Wirklichkeit ist —, erscheint daher die Bewegung der<br />
Kategorien als der wirkliche Produktionsakt — der leider nur einen<br />
Anstoß von außen erhält —, dessen Resultat die Welt ist; und dies<br />
ist — dies ist aber wieder eine Tautologie — soweit richtig, als die<br />
konkrete Totalität als Gedankentotalität, als ein Gedankenkonkretum,<br />
in fact ein Produkt des Denkens, des Begreifens ist; keineswegs<br />
aber des außer oder über der Anschauung und Vorstellung denkenden<br />
und sich selbst gebärenden Begriffs, sondern der Verarbeitung<br />
von Anschauung und Vorstellung in Begriffe. Das Ganze, wie es im<br />
Kopfe als Gedankenganzes erscheint, ist ein Produkt des denkenden<br />
Kopfes, der sich die Welt in der ihm einzig möglichen Weise aneignet,<br />
einer Weise, die verschieden ist von der künstlerischen, religiösen,<br />
praktisch-geistigen Aneignung dieser Welt. Das reale Subjekt<br />
bleibt nach wie vor außerhalb des Kopfes in seiner Selbständigkeit<br />
bestehn; solange sich der Kopf nämlich nur spekulativ verhält, nur<br />
theoretisch." 39 Wir haben dieses Zitat so ausführlich wiedergegeben,<br />
um zeigen zu können, wie <strong>Althusser</strong> es selektiv verwendet, unter<br />
Auslassung des Kontextes, in dem es steht: die Polemik gegen den<br />
Hegeischen Idealismus.<br />
<strong>Althusser</strong> interpretiert: „... Wenn Marx sagt, daß der Entstehungsprozeß<br />
der Erkenntnis und folglich der Entstehungsprozeß<br />
ihres Objekts als eines vom Realobjekt, das die Erkenntnis sich<br />
eben <strong>auf</strong> die ,Weise' des Erkennens aneignen will, unterschiedenen<br />
Objekts, ganz und gar in der Erkenntnis selbst, im ,Kopf' oder im<br />
Denken vollzogen wird, so fällt er damit doch keinen Augenblick<br />
lang in einen-Idealismus des Bewußtseins, des Geistes oder des Denkens<br />
zurück; denn das ,Denken', das hier zur Diskussion steht, ist<br />
nicht die Fähigkeit eines transzendentalen Subjekts oder eines absoluten<br />
Bewußtseins, dem die reale Welt als Materie gegenüberstände;<br />
es ist auch nicht die Fähigkeit eines psychologischen Subjekts, auch<br />
zurückzuführen, wäre wohl etwas verkürzt (vergleiche dazu L. Sève,<br />
Marxismus und <strong>Theorie</strong> der Persönlichkeit, besonders S. 75—83). Daß <strong>Althusser</strong><br />
die von ihm so genannte „Fetischismus-<strong>Theorie</strong>" Marxens, die <strong>auf</strong><br />
der beschriebenen Verkehrungs-Struktur beruht, als „äußerst schädliche"<br />
Spur „Hegeischen Einflusses" (Avertissement zum I. Band des Kapital,<br />
Paris 1969, S. 22/Vorwort <strong>für</strong> die Leser des I. Bandes des Kapital, in<br />
Marxismus und Ideologie, Westberlin 1973, S. 103) kennzeichnet, könnte<br />
den Verdacht jedoch bestärken. (Vgl. dazu auch U. Müller, a.a.O., S. 85 ff.).<br />
39 Marx, Grundrisse ..., Berlin 1953, S. 22.<br />
DAS ARGUMENT 9471975 ©