Antworten auf Althusser - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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<strong>Theorie</strong> der Geschichte: Geschichte der <strong>Theorie</strong>? 955<br />
Weltbewegung <strong>auf</strong>zuzeigen. Nicht bloß die relative Autonomie der<br />
<strong>Theorie</strong>produktion wird so unterstrichen und gerechtfertigt; die<br />
<strong>Theorie</strong>bildung selbst erhält einen privilegierten Platz.<br />
Die Fragen, die sich hier stellen: Welches ist die Grundlage der<br />
marxistischen <strong>Theorie</strong>? Eine Wissenschaft oder eine Philosophie?:<br />
„Ist der Marxismus im Grunde eine Philosophie — .Philosophie der<br />
Praxis' —, aber was hat es dann mit den wissenschaftlichen Ansprüchen<br />
<strong>auf</strong> sich, wie sie Marx proklamierte?" Oder ist der Marxismus<br />
nicht im Gegenteil eine Wissenschaft: historischer Materialismus,<br />
Wissenschaft der Geschichte?<br />
Weiter: Wie verhält es sich dann mit der Philosophie, mit dem<br />
dialektischen Materialismus? 10 Wie verl<strong>auf</strong>en die Beziehungen zwischen<br />
historischem Materialismus und Dialektik? <strong>Althusser</strong> gibt in<br />
seinen bisherigen Arbeiten <strong>auf</strong> diese Frage keine eindeutige Antwort.<br />
In „Pour Marx" stellt er vor allem den epistemologischen<br />
Einschnitt zwischen der Hegeischen und der Marxschen Dialektik-<br />
Problematik heraus, indem er ihre Strukturunterschiede herauszuarbeiten<br />
versucht. Die „symptomatische" Kapital-Lektüre thematisiert<br />
die Suche nach einer nicht-anthropologischen, nicht-teleologischen<br />
<strong>Theorie</strong> von der Geschichte. <strong>Althusser</strong> will damit die Abgrenzung<br />
gegenüber jeglicher Geschichtsphilosophie und den verbundenen<br />
linearen oder expressiven Entwicklungsvorstellungen ziehen.<br />
Die These: in der Geschichte wie in der Natur erkennt der Mensch<br />
nur das, „was ist, und nicht das, was er macht" u . Im Visier ist hier<br />
die Vorstellung, daß der Mensch „verschwindet", daß die Geschichte<br />
der Produktion der Erkenntnis, genau wie in der Geschichte, ein<br />
Prozeß ohne Subjekt ist und daß die wissenschaftlichen Erkenntnisse<br />
(in der von einem Individuum, einem Gelehrten etc. gemachten Entdeckung)<br />
hervortreten als historisches Resultat eines dialektischen<br />
Prozesses ohne „Ende/Ziel" 12 . Es handelt sich hier fraglos um <strong>Althusser</strong>s<br />
provokanteste These: „Daß die menschlichen, d. h. sozialen<br />
Individuen in der Geschidite aktiv sind — als Agenten der verschiedenen<br />
gesellschaftlichen Praxen des historischen Prozesses von Produktion<br />
und Reproduktion — das ist Tatsache. Aber betrachtet als<br />
Agenten sind die menschlichen Individuen nicht .freie' und .konstituierende'<br />
Subjekte im philosophischen Sinn dieser Ausdrücke. Die<br />
Subjekte-Agenten sind in der Geschichte aktiv nur unter der Determinierung<br />
der Produktions- und Reproduktionsverhältnisse und in<br />
deren Formen; kein Marxist wird — in dieser abstrakten Form —<br />
etwas anderes sagen. Gebrochen werden soll mit der idealistischen<br />
Kategorie des „Subjekts" als Ursprung, mit den Begriffen Wesen<br />
und Ursache; gebrochen werden soll mit dem „Subjekt", das in seiner<br />
Innerlichkeit verantwortlich ist <strong>für</strong> alle Determinierungen des<br />
10 Lénine et la philosophie, suivi de Marx et Lénine devant Hegel,<br />
Paris 1972, S. 16 ff.<br />
11 RM, S. 53 ff.<br />
12 RM, S. 56.<br />
DAS ARGUMENT 94/1975 ©