Antworten auf Althusser - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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<strong>Theorie</strong> der Geschichte: Geschichte der <strong>Theorie</strong>? 973<br />
Subjekt-Agenten in der „Geschichte" nur aktiv sind unter der „Determinierung<br />
der Produktions- und Reproduktionsverhältnisse":<br />
auch die „humanistischen" Marxisten sehen dies. Ein Sartre, Lewis<br />
und noch ein Garaudy würden eine Bestimmung in dieser Allgemeinheit<br />
akzeptieren. <strong>Althusser</strong> geht es freilich um Nuancen: „Um eine<br />
Trennungslinie zwischen marxistischen und nichtmarxistischen Gedanken<br />
zu ziehen, mußte man die Texte, aus denen die ,humanistische'<br />
Marx-Interpretation ihren Anspruch schöpft, d. h. ihre Belege<br />
und Zitate, genau studieren: die Frühschriften von Marx und die<br />
Werke der Reife, vor allem ,Das Kapital'." Es müßte sonst eine Metapher<br />
bleiben, die Existenz einer Realität anzuzeigen, ohne ihren Begriff<br />
zu bilden, d. h. ihre Erkenntnis 82 .<br />
Damit wird allerdings ein Problem <strong>auf</strong>gedeckt und verdeckt, das<br />
bei <strong>Althusser</strong> selbst unklar bleibt: Was machen die „Subjekt-Agenten"<br />
^wirklich, was bewirken sie. Wer (außer der Produktionsweise)<br />
strukturiert? Wie können Produktionsweisen „strukturieren", wenn<br />
nicht auch durch die Massen (Klassen)? Wie also können diese aktiv<br />
werden? Wenn <strong>Althusser</strong> die Antwort bereithält: Der Klassenkampf<br />
ist der Motor der Geschichte, der die Geschichte bewegt, antreibt,<br />
„ins Rollen bringt", die Revlution auslöst und vollzieht: dann<br />
handelt es sich um die konkreten Menschen (im Plural). Welcher<br />
Marxist würde etwas anderes sagen? Gewiß, es bleibt bei den „Humanisten"<br />
das ärgerliche Konzept vom „Menschen", der die Geschichte<br />
„transzendiert". Aber andererseits: wenn der Klassenkampf<br />
der „Motor" ist, die Subjekte (im Plural), und in diesem Fall: Masse<br />
= unterdrückte Klasse: warum beteiligen sich, wie wir wissen, nur<br />
Teile an dieser Bewegung? Natürlich, man kann <strong>auf</strong> das Konzept der<br />
Klasse „an sich" und „<strong>für</strong> sich" rekurrieren, <strong>auf</strong> die Reste der kleinbürgerlichen<br />
Ideologie, die sich auch bei den Marxisten selbst noch<br />
finden. Aber heißt das dann nicht, daß wir sehr genau nachfragen<br />
müssen, welche Gruppen (Subjekte) in einer bestimmten geschichtlichen<br />
Situation zum Handeln bereit sind und welche nicht? Und<br />
weshalb?<br />
Der Einwand, <strong>Althusser</strong> destruière zwar die Vereinfachungen des<br />
Stalinismus, des evolutionistischen Ökonomismus und seines natürlichen<br />
Gegners: Humanismus à la Jules Verne plus Aufklärung plus<br />
sich entwickelnde Humanität; aber weder er noch Balibar würden<br />
den Übergang von einer strukturierten Gesamtheit zur anderen<br />
„lösen" (Lipietz), sondern bestenfalls die Probleme <strong>auf</strong>zeigen, ist<br />
nicht unberechtigt. Andererseits: ist nicht gerade dieses Auf werf en<br />
von Fragen, das Verunsichern durch diese Fragen <strong>für</strong> eine zeitgenössische<br />
Rekonstruktion der marxistischen <strong>Theorie</strong> und damit der Analyse<br />
des gegenwärtigen Kapitalismus zentral? <strong>Althusser</strong>: „Nur die Aktivsten<br />
im Kampf der Arbeiterklasse haben aus dem .Kapital' Konsequenzen<br />
gezogen; sie haben darin die Mechanismen der kapitalistischen<br />
Ausbeutung erkannt und sich in Organisationen <strong>für</strong> den ökono-<br />
62 <strong>Althusser</strong>: Elemente der Selbstkritik, Berlin/West 1975, S. 102.<br />
DAS ARGUMENT 94/1975 ©