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Antworten auf Althusser - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Dutschkes Leninismus-Kritik 993<br />

der Produktionsweise <strong>auf</strong>merksam zu machen. Diese Darstellung<br />

verquickt er mit seinen eigenen Vorstellungen, indem er z. B. dar<strong>auf</strong><br />

hinweist, daß „der Überfluß an Fellen, Wachs und Honig ... einer<br />

der Gründe (ist), die die Herausbildung eines gewerbetreibenden<br />

städtischen Bürgertums schon vor der Tatarisierung schier unnötig<br />

machten bzw. verhinderten" (45). Hier wie überall, wo Dutschke vom<br />

hohen Roß abstrakter Spekulationen heruntersteigt, blamiert er sich<br />

sofort. Die Naturreichtümer Rußlands führten über die frühen Handelsbeziehungen<br />

nach Westen gerade zur Ausbildung einer K<strong>auf</strong>mannschaft<br />

ih Novgorod, Smolensk, Vitebsk. Die Entwicklung des<br />

städtischen Handwerks wurde zwar durch die dominierende Naturalwirtschaft<br />

behindert, vor der mongolischen Invasion gab es aber<br />

immerhin schon 60 verschiedene Handwerkszweige in Rußland und<br />

eine hochstehende Metallproduktion und -Verarbeitung, deren Erzeugnisse<br />

teilweise in Europa berühmt waren. Dutschke behauptet<br />

weiter, daß es im Gefolge des Tatareneinfalls „nie zu einem Feudalismus,<br />

wie wir ihn verstehen, kommen konnte, nie dazu, daß der<br />

Zar ein ,primus inter pares' wurde". Der Verfasser muß ein eigenartiges<br />

Feudalismusverständnis haben, wenn er diese Stellung des<br />

Herrschers <strong>für</strong> konstitutiv hält. Sollte <strong>für</strong> Dutschke absolutes Königtum<br />

unvereinbar mit feudalen Produktionsverhältnissen sein? Sollte<br />

am Ende gar Frankreich unter Ludwig XIV. das klassisch asiatische<br />

Land sein? — In hoffnungslose Widersprüche verwickelt sich Dutschke,<br />

wenn er einerseits seine asiatischen Formationen nicht aus der<br />

Realität, sondern den Schriften von Marx und Engels gewinnen will,<br />

andererseits <strong>auf</strong> S. 55 f. eingestehen muß: „Hier nun gerät die Arbeit<br />

in einen gewissen Gegensatz zu Marx und Engels. Beide konnten sich<br />

in letzter Konsequenz die Kategorie des Kapitalismus und der kapitalistischen<br />

Produktionsweise wie auch den Begriff des Feudalismus<br />

nur unter westeuropäischen Verhältnissen vorstellen."<br />

Im Hinblick <strong>auf</strong> die These des Autors vom Widerspruch zwischen<br />

westeuropäischer <strong>Theorie</strong> und asiatischer Realität ist es besonders<br />

wichtig, die Entwicklung zwischen der Reform von 1861 und der<br />

Oktoberrevolution zu betrachten. Wie erscheint diese Epoche bei<br />

Dutschke? Sein Hauptanliegen ist die Gegenüberstellung von dominierendem<br />

„agrarischem Unterbau" und „industriellem Überbau".<br />

Der Verfasser schreibt: „Entsteht doch in dieser sozial-ökonomischen<br />

Lage der von Engels beschriebene <strong>auf</strong>gepfropfte ,Kapitalismus', ein<br />

staatlich gezüchteter Überbau der Großindustrie, <strong>auf</strong> einer schier absolut<br />

stagnierenden und sich zersetzenden Agrikultur, die die industriellen<br />

Waren beschränkt oder gar nicht <strong>auf</strong>nimmt" (75). Die Unterscheidung<br />

zwischen einem künstlichen und einem naturwüchsigen<br />

Kapitalismus, die hinter dieser These steckt, ist nicht haltbar. Auch<br />

in Westeuropa war die Schaffung kapitalistischer Großindustrie ohne<br />

die staatlich betriebene Trennung der Produzenten von den Produktionsmitteln<br />

in der Phase der ursprünglichen Akkumulation unmöglich,<br />

die staatliche Finanzierung, Auftragserteilung und Privilegierung<br />

der Industrie war in der Anfangsphase die Regel. Die Behauptung<br />

einer absolut stagnierenden Landwirtschaft ist unzutreffend.<br />

DAS ARGUMENT 94/1975 ©

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