Antworten auf Althusser - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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986 Hansgeorg Coriert<br />
BRD sein. Andererseits transzendieren die kapitalismus<strong>kritische</strong>n<br />
Erörterungen diese — bei aller Inkonsistenz — bei weitem. Das ist zu<br />
konstatieren, wenn es auch keinen Maßstab <strong>für</strong> ein Gesamturteil des<br />
. Buches abgibt. Ein Buch mit dem Anspruch des vorliegenden muß<br />
sich am fortgeschrittensten Stand materialistischer Gesellschaftsanalyse<br />
und -kritik messen lassen, unabhängig davon, wieweit es die<br />
gegebenen gesellschaftlich-politischen Bedingungen erlauben, daraus<br />
die notwendigen praktischen Konsequenzen zu ziehen. Diesem<br />
Vergleich hält Steffens Buch nicht stand, ungeachtet zahlreicher<br />
wichtiger Einzelerkenntnisse und mancher treffender Formulierungen<br />
(z. B. 96, 108, 170, 175, 194 ff, 217, 294, 298, 306, 324/25, 347).<br />
Weite Passagen des Buches sind Variationen des Grundmusters von<br />
Steffens Gesellschaftsanalyse und -kritik, das sich <strong>auf</strong> wenige Kernargumente<br />
reduzieren läßt: Das ökonomische und gesellschaftliche<br />
System des Kapitalismus der Gegenwart folgt der Maxime der<br />
Selbsterhaltung. Daß die entscheidende Triebkraft der kapitalistischen<br />
Produktionsweise im Drang der konkurrierenden Einzelkapitale<br />
nach maximaler Verwertung liegt, klingt zwar gelegentlich an,<br />
bestimmt aber nicht den Fortgang der Analyse. Das System reproduziert<br />
sich in einem „totalen Prozeß" (eine beliebte Formel des Autors;<br />
definiert 89 Fn. 9), dessen Inhumanität und Irrationalität Steffen vor<br />
allem mit Argumenten der Entfremdungskonzeption des jungen<br />
Marx begründet: materielle Produktion, gesellschaftliche Organisation,<br />
menschliche Kommunikation und Kooperation sind nicht ausgerichtet<br />
<strong>auf</strong> die immer reichere Befriedigung „wirklicher" Bedürfnisse,<br />
wahrhaft humaner Ziele, sondern eben <strong>auf</strong> die Erhaltung der<br />
sozioökonomischen Ordnung als Selbstzweck. Der „totale Prozeß"<br />
beherrscht die Menschen; die Hervorbringungen ihrer Arbeit werden<br />
verdinglicht zu materiellen Mitteln der Herrschaft. Neben diesem<br />
allgemeinen, den personalen und sozialen Gehalt des „totalen Prozesses"<br />
kennzeichnenden Widerspruch sieht Steffen einen weiteren<br />
ökonomisch-politischer Art mit vielfältigen aktuellen Auswirkungen.<br />
In Anlehnung an die <strong>kritische</strong> systemtheoretische Variante der<br />
\ „Starnberger Schule" (Habermas/Offe) erblickt er ihn darin, daß<br />
1 der „totale Prozeß" notwendig rascher und umfassender Probleme<br />
produziert, als sie das System „verarbeiten" kann (z. B. 68 f., 301 f.).<br />
Die Beschreibung der konkreten Erscheinungsformen dieses grundlegenden<br />
Widerspruchs und der Unzulänglichkeit systemkonformer<br />
Lösungsversuche durch Steffen ist zwar nicht originell, gehört aber<br />
durch teilweise sachliche Klarheit, Anschaulichkeit und zuweilen<br />
prägnante, bissig-ironisierende Formulierungen zu den positiven<br />
Teilen des Buches.<br />
Die apokalyptischen Visionen (z. B. 331/32), die Steffen <strong>für</strong> den<br />
Fall einer weiteren ungehemmten Entfaltung des „totalen Prozesses"<br />
andeutet, entsprechen weniger der Tradition vulgärer politökonomischer<br />
Zusammenbruchskonzeption als dem ökologischen<br />
Pessimismus des „Club of Rome". Um ihnen zu entgehen, bedarf es<br />
der „strukturellen Revolution" (obgleich Steffen die Wiederholung<br />
DAS ARGUMENT 94/1975 ©