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Antworten auf Althusser - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Erziehungswissenschaften 1027<br />

Kline, Morris: Warum kann Hänschen nicht rechnen?<br />

Das Versagen der neuen Mathematik. Beltz Verlag, Weinheim und<br />

Basel 1974 (209 S., br., 16,— DM).<br />

Im Oktober 1968 beschloß die Kultusminister-Konferenz, daß<br />

Grundschüler nicht lediglich rechnen lernen, sondern der sogenannten<br />

Mengenlehre ausgesetzt werden sollen. Die Kritiker konnten damals<br />

die breite Öffentlichkeit nicht ansprechen, aber seit Anfang<br />

1974 können sie es. Der Streit um die „Mengenlehre" bewegt die Gemüter,<br />

und der Titel des vorliegenden Buchs ist genau <strong>auf</strong> diese<br />

Marktlage abgestellt. Doch kann in dem Streit Klines Buch nur indirekt<br />

von der einen oder der anderen Seite herangezogen werden,<br />

weil es sich mit Fragen" des Mathematik-Unterrichts von 12- bis<br />

17jährigen beschäftigt. Es nimmt ausschließlich <strong>auf</strong> die Verhältnisse<br />

an den High Schools in den USA Bezug.<br />

In den USA gab es bereits Anfang der 50er Jahre Bestrebungen,<br />

das Mathematik-Curriculum an den höheren Schulen grundlegend<br />

zu ändern. Als die Sowjetunion im Herbst 1957 ihren ersten Sputnik<br />

durch den Weltraum fliegen ließ, schlug <strong>für</strong> die Neuerer die große<br />

Stunde. Das ganze Land war entsetzt, man „wollte es den Russen<br />

zeigen". In der allgemeinen Kopflosigkeit wurde nicht lange diskutiert,<br />

und so fanden die Mengensprache und die an Strukturen orientierte<br />

moderne Mathematik Eingang in die Schulen. Sie errangen<br />

allerdings nur einen Teilerfolg: 1973 war an 50—60 °/o aller amerikanischen<br />

Schulen noch das alte Curriculum gültig (10).<br />

Kline gefällt, um es vorweg zu nehmen, rein gar nichts am Mathematik-Unterricht,<br />

weder im alten noch im neuen Gewand. Der erstere<br />

sei stumpfsinnig, biete keine Brücke zu wirklich konkreten Anwendungen<br />

der Mathematik und sei in seinen Inhalten teilweise veraltet<br />

(Kap. II). Der letztere wird al& Ankündigung des bevorstehenden,<br />

Weltunterganges <strong>auf</strong>gefaßt. Es wäre sonst nicht begreiflich, wieso<br />

Kline 85 °/o seines Textumfangs zur Warnung und Verdammung<br />

verwendet — mit unablässigen Wiederholungen und Dutzenden von<br />

spitzen, geistreichen Zitaten dieses oder jedes bedeutenden Mannes,<br />

der angeblich nichts anderes wollte als der Verfasser selbst. Dabei<br />

sind die Argumente des Buchs durchaus einleuchtend und leicht zusammenzufassen<br />

:<br />

— Mathematische Ergebnisse sind durch Versuch und Irrtum gefunden<br />

worden. Man überfordert jeden Lernenden, wenn man ihm<br />

ein System vorsetzt, aus dem deduktiv das Wissen einiger Jahrhunderte<br />

oder Jahrtausende abgeleitet wird, ohne <strong>auf</strong>zuzeigen,<br />

warum und wie dieses Wissen erworben wurde (Kap. IV).<br />

— Strenge und Genauigkeit nach heutigen Maßstäben bringen einen<br />

Wust von Hilfsdefinitionen und -behauptungen mit sich, in dem<br />

die Leitgedanken unkenntlich werden. Zudem vergessen die Perfektionisten,<br />

daß ihre Maßstäbe nicht ewig sind. Sie würden heute<br />

von einem Schüler Beweise nicht akzeptieren, die in ähnlicher<br />

Form noch vor wenigen Jahrzehnten in der mathematischen Forschung<br />

selbst benutzt wurden (Kap. V).<br />

DAS ARGUMENT 94/1975 ©

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