Antworten auf Althusser - Berliner Institut für kritische Theorie eV
Antworten auf Althusser - Berliner Institut für kritische Theorie eV
Antworten auf Althusser - Berliner Institut für kritische Theorie eV
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
991<br />
Wolf-Dietrich Schmidt<br />
Dutschkes Leninismus-Kritik*<br />
Dutschke versteht sein Buch als Auseinandersetzung mit der Frage<br />
„Sozialismus wie? Was können wir brauchen, was müssen wir verändern?"<br />
(2). Der Autor nimmt diese Frage nicht — wie es naheliegen<br />
würde — als Ausgangspunkt einer Analyse der gegenwärtigen<br />
Kampfbedingungen <strong>für</strong> die fortschrittlichen Kräfte in der BRD<br />
oder einer Untersuchung des realen Sozialismus. Im Mittelpunkt<br />
seiner Arbeit steht vielmehr eine Polemik gegen die Organisationsprinzipien<br />
der leninistischen Partei (demokratischer Zentralismus,<br />
Fraktionsverbot), gegen einen vermeintlichen Bürokratismus der<br />
kommunistischen Parteien und der sozialistischen Länder, schließlich<br />
schlechthin gegen die „gekrümmten Kommunisten", die den „<strong>auf</strong>rechten<br />
Gang in Richtung Freiheit" nicht beherrschen. Diese Vorwürfe<br />
versucht Dutschke nicht zu belegen, er hält sie offenbar <strong>für</strong><br />
erwiesen. Ihm kommt es hauptsächlich dar<strong>auf</strong> an, die Entstehungsbedingungen<br />
dieser von ihm behaupteten Erscheinungen zu untersuchen.<br />
Dabei landet Dutschke bei Lenin, den er materialistisch umzustülpen<br />
(„<strong>auf</strong> die Füße zu stellen") versucht. Dutschkes zentrale Aussage<br />
läßt sich so zusammenfassen: Lenin habe unbesehen die<br />
kautskyanische <strong>Theorie</strong> der westeuropäischen Sozialdemokratie <strong>auf</strong><br />
die grundlegend andere gesellschaftliche Realität Rußlands <strong>auf</strong>gepfropft;<br />
die russische Geschichte sei mit den Begriffen Feudalismus<br />
und Kapitalismus nicht zu fassen, wir fänden hier vielmehr eine besondere,<br />
asiatische Folge von Gesellschaftsformationen; der Widerspruch<br />
zwischen westeuropäischer <strong>Theorie</strong> und asiatischer Realität<br />
habe zum Despotismus in der Sowjetunion und zum Revisionismus<br />
in der kommunistischen Weltbewegung geführt.<br />
Das Kernstück des Dutschke-Buches bildet also die <strong>Theorie</strong> der<br />
asiatischen Formationen. Es geht dabei nicht etwa primär um die<br />
bekannte .asiatische Produktionsweise", also die höchste Entwicklungsstufe<br />
des Urkommunismus, gekennzeichnet durch eine starke<br />
Zentralgewalt, deren Notwendigkeit vor allem aus dem Zwang zur<br />
Wasserregulierung erwächst. Der Verfasser behauptet vielmehr eine<br />
besondere Formationenfolge von der asiatischen Produktionsweise<br />
* Dutschke, Rudi: Versuch, Lenin <strong>auf</strong> die Füße zu stellen. Über den<br />
halbasiatischen und den westeuropäischen Weg zum Sozialismus. Lenin,<br />
Lukâcs und die Dritte Internationale. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin<br />
1974 (348 S., br., 13,50 DM). — Eine Erwiderung von Rudi Dutschke <strong>auf</strong> die<br />
hier veröffentlichte Kritik seiner Dissertation bringen wir in einem der<br />
nächsten Hefte.<br />
DAS ARGUMENT 94/1975 ©