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Antworten auf Althusser - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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980 Christa Thoma-Hertérich<br />

diung" verratend. Die Selbstkritikformel: Philosophie ist nicht, wie<br />

ehedem behauptet, „<strong>Theorie</strong> der theoretischen Praxis", auch nicht,<br />

wie etwas später im Lenin-Buch, „Politik in der <strong>Theorie</strong>", sondern<br />

„in'letzter Instanz Klassenkampf in der <strong>Theorie</strong>" — eine Formulierung,<br />

die sich von der vorletzten allenfalls durch größeren Relativismus<br />

unterscheidet und zeigt, daß das Pendel des Philosophiebildes<br />

nun von dem früheren, einer Art unmarxistischen Wissenschaftstheorie,<br />

zu seinem genauso unmarxistischen Gegenpart, einer wissenschaftsunabhängigen<br />

Praxisverdoppelung, ausgeschlagen ist; eine<br />

Formulierung, die außerdem <strong>auf</strong> jede andere theoretische Arbeit/<br />

<strong>Theorie</strong> zutrifft und kein Spezifikum welcher „Philosophie" auch<br />

immer bildet, denn welches theoretische Gebilde wäre „in letzter<br />

Instanz" nicht Zeugnis des Klassenkampfes? Für <strong>Althusser</strong> vielleicht<br />

„die Wissenschaft".<br />

Soweit die .Haupttendenz' der „Selbstkritik", auch sie hat ihre<br />

„Nebentendenz", einen eigenen philosophischen Duktus, den <strong>Althusser</strong><br />

vielleicht bisher noch nie so deutlich formuliert hat, und wobei<br />

er nur einen geistigen Nährvater, womöglich den in diesem<br />

Zusammenhang wichtigsten, namentlich unerwähnt läßt. Man hat<br />

<strong>Althusser</strong> einen Kantianer genannt, häufiger einen Strukturalisten;<br />

da er bewußt Eklektiker ist, fühlt er sich nicht getroffen. Objektiv,<br />

<strong>auf</strong> seine marxistischen „bêtes noires" (Dialektik, Erkenntnistheorie,<br />

Ideologie/Wissenschaft/Philosophie) bezogen, signalisieren diese Etikettierungen<br />

die Aporie seines Denkens, das, in einem anderen Kontext<br />

und mit anderer Richtung, noch einmal die Irrungen der Theoretiker<br />

der II. Internationale durchmacht 9 . <strong>Althusser</strong>s Lektüreempfehlung<br />

(„Lire le Capital!") spiegelt dies: In ihrer Aneignung<br />

des Marxismus begannen die Schüler von Marx und Engels mit dem<br />

Resultat, dem „Kapital" (und lasen es als Ökonomie- und Geschichtslehrbuch),<br />

gelangten von da zum „Manifest" und kannten das Frühwerk,<br />

damit philosophische und methodische Grundlagen, kaum. In<br />

einem Brief von 1890 zog Engels einen Schluß daraus: „Was den<br />

Herren allen fehlt, ist Dialektik (...) <strong>für</strong> sie hat Hegel nicht existiert"<br />

10 . Bei <strong>Althusser</strong> nun wird dieses Herangehen zu einem Programm<br />

und überschneidet sich besonders in zwei Punkten mit dem<br />

Vorgehen der oben erwähnten Theoretiker: einerseits darin, daß die<br />

Würdigung des Historischen Materialismus als „Wissenschaft überhaupt"<br />

die Reflexion <strong>auf</strong> seine Methode vorgeblich überflüssig macht<br />

und „Philosophie überhaupt" ins unwissenschaftliche Abseits drängt,<br />

andererseits — dies die politische Kehrseite — darin, daß somit „Philosophie"<br />

zur Privatangelegenheit jedes Marxisten erklärt werden<br />

kann, Rechenschaft nur vor einem metaphysischen Prinzip „Histori-<br />

9 Cf. dazu z. B. N. I. Lapin, Der junge Marx im Spiegel der Literatur,<br />

Berlin/DDR 1965 und einige Zeugnisse bei H. J. Sandkühler/R. de la Vega<br />

(Hrsg.) : Marxismus und Ethik, Frankfurt/M. 1970/74.<br />

10 Cf. MEW 37, S. 494.<br />

DAS ARGUMENT 94/1975 ©

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