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Antworten auf Althusser - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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964 Urs Jaeggi<br />

Kein Zweifel: die metaphorischen Ausdrücke „Text", „Theater",<br />

„Inszenierung", „Bühne", „Schauspieler" erinnern penetrant an rollentheoretische<br />

Konzepte. Problematischer noch ist die Wendung<br />

„Theater ohne Autor". Und selbst wenn wir als richtig unterstellen,<br />

daß nicht „Ursachen", sondern „Wirkungen" das Entscheidende sind:<br />

selbst wenn wir als richtig unterstellen, daß jegliche Personalisierung<br />

des historischen Prozesses abzulehnen ist, daß die Aussage: „der<br />

Mensch macht die Geschichte" falsch bleibt ohne den Zusatz: „in seiner<br />

Wirklichkeit ist es (das menschliche Weôèn), das ensemble der<br />

gesellschaftlichen Verhältnisse" 38 : noch dann ist davon auszugehen,<br />

daß die Objektivität der gesellschaftlichen Gesetze als Gesetze nur<br />

durch die Objektivationen der individuell-gesellschaftlichen Arbeit<br />

erkennbar sind 39 . Die Strukturnotwendigkeit bleibt bei <strong>Althusser</strong><br />

eingebettet in eine quasi Naturnotwendigkeit, die, auch wenn dieser<br />

Punkt kaum thematisiert wird, eine tiefe Skepsis gegenüber jeder<br />

Art politischer Praxis spiegelt. Die Abwesenheit des Subjekts gerät<br />

zur Abwesenheit der Klassenauseinandersetzungen. In der „Selbstkritik"<br />

wird <strong>Althusser</strong> später diesen Punkt selbst monieren: „Was<br />

meinen ersten Essays im wesentlichen fehlte: der Klassenkampf und<br />

seine Auswirkungen in der <strong>Theorie</strong>..." 40 Tatsächlich sind die ökonomischen<br />

Phänomene Prozesse, die unter gesellschaftlichen Verhältnissen<br />

stattfinden, welche in letzter Instanz, d. h. hinter ihrer Erscheinungsform,<br />

Klassenverhältnisse sind 41 .<br />

Noch immer freilich handelt es sich um eine theoretische Feststellung,<br />

die zwar das Verhältnis Philosophie und Wissenschaft verändert<br />

(die Philosophie verstanden jetzt als Klassenkampf in der<br />

<strong>Theorie</strong>), nicht aber darüber hinaus die materiellen Beziehungen<br />

selbst analysiert.<br />

5. <strong>Theorie</strong> der Geschichte<br />

Das Marxsche System, das „Prinzip der Periodisierung und das<br />

Prinzip der Gliederung verschiedener Praxisformen in der Gesellschaftsstruktur"<br />

42 , entfaltet als ,Totalität' kein statisches Beziehungsgefüge:<br />

es folgt, wie wir sahen, sowohl einem diachronischen<br />

als auch einem synchronischen Prinzip. Das Problem der Genesis<br />

und das Moment der Aufhebbarkeit werden indes zunächst mit der<br />

Begründung ausgeklammert, Marx habe keine <strong>Theorie</strong> des Übergangs<br />

von einer Produktionsweise zur »anderen, d.h. keine <strong>Theorie</strong><br />

der Konstituierung einer Produktionsweise hinterlassen 43 . So wird<br />

38 MEW 3, S. 6.<br />

39 Sandkühler, H. J.: Praxis und Geschichtsbewußtsein, Frankfurt/M.<br />

1973, S. 157.<br />

40 Elemente der Selbstkritik, a.a.O., S. 93.<br />

41 Elemente, a.a.O.; S. 107.<br />

42 KL II, S. 272.<br />

43 KL II, S. 268 ff.<br />

DAS ARGUMENT 94/1975 ©

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