Antworten auf Althusser - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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982 Christa Thoma-Hertérich<br />
hier täuschen lassen, mit dem Strukturalismus habe man nämlich<br />
nur einen „Flirt" gehabt (57) — die Wahrheit: „wir waren Spinozisten"<br />
(65), also: keine Marxisten; und so lautet denn auch das<br />
wirkliche Geständnis: „es war ganz und gar nicht einfach, Marxist<br />
in der Philosophie (oder: „als Philosoph Marxist") zu sein". Nachdem<br />
er lange vergeblich gegen diese „rätselhaften" marxistischen „Texte<br />
und ihre traurigen Kommentare" angerannt (buté) sei, habe er<br />
einen Umweg über Spinoza nehmen müssen (67).<br />
Spinoza erfüllt also im erkenntnistheoretischen Vakuum offenbar<br />
eine etwas andere Funktion als Bachelard. Sie zu verstehen empfiehlt<br />
sich weniger eine Spinoza-Lektüre, die nicht viel klären<br />
würde, da <strong>Althusser</strong>s „Spinoza" einerseits nicht unbedingt der philosophiegeschichtlich<br />
bekannte Spinoza ist, andererseits seine Stelle bei<br />
<strong>Althusser</strong> auch ein anderer Philosoph einnehmen könnte, als vielmehr<br />
eine Beschäftigung mit dem Theoretiker, der offenbar im<br />
Schatten bleiben soll und doch den philosophischen Duktus bestimmt:<br />
Jacques Lacan, der Neopsychoanalytiker, den <strong>Althusser</strong> seit seiner<br />
Laudatio „Freud et Lacan" von 1964 schätzt, damals noch, weil er in<br />
ihm einen Helfer zur Untermauerung der individuellen Seite seiner<br />
eigenen transindividuellen Ansätze zu einer Ideologientheorie vermutete.<br />
Dabei ist es nicht geblieben: Lacans „Erkenntnistheorie"<br />
bildet inzwischen den Modus der <strong>Althusser</strong>schen Annäherung an<br />
Marx; daß diese Implikationen weder in Schüttlers Übersetzung noch<br />
in seinem Vorwort irgendwie zum Ausdruck kommen, war der<br />
Hauptgrund, vom frz. Original auszugehen. Um dieser Lacan-<strong>Theorie</strong><br />
sehr knapp Konturen zu geben: Es handelt sich um eine spezifische<br />
Weiterentwicklung der phänomenologisch-idealistischen Dialektik<br />
zwischen dem Eigenen/Selbst und dem Anderen, die hier ihr Modell<br />
und Zentrum in der „Dialektik" der „psychoanalytischen Situation",<br />
der <strong>auf</strong> mehreren Ebenen erfolgenden Interaktion zwischen Analytiker<br />
und Analysand, findet und eine Sprach- und <strong>Theorie</strong>n<strong>auf</strong>fassung<br />
vertritt, die es — <strong>auf</strong>bauend <strong>auf</strong> der Vorstellung einer Abkunft<br />
aller sprachlichen Gebilde von einem „Urtext", der bestimmt war,<br />
das sprachlose „Unbewußte" zu verhüllen — ermöglicht, alle „Texte"<br />
<strong>auf</strong> eine sich selbst fortzeugende Kette über diesem „Urtext" zu reduzieren,<br />
damit sowohl das Widerspiegelungsverhältnis wie den erkenntnistheoretisch-methodischen<br />
Aspekt zu eskamotieren. <strong>Althusser</strong>s<br />
Nutzung soldier Vorstellungen muß Analysegegenstand der weiteren<br />
Kritik werden, damit bestimmte Geheimnisse — nicht nur<br />
seiner bisweilen exklusiven und unübersetzbaren Diktion — erhellt<br />
werden können.<br />
Dieser „Lacanismus" erfüllt verschiedene Funktionen: als modische<br />
Metapher dient er der selbst<strong>kritische</strong>n Einkreisung 17 oder zur<br />
17 Cf. S. 13; Schüttlers Übersetzung gibt die ,Lacanismen' „objet"<br />
und „effets de résonance" nicht wieder.<br />
DAS ARGUMENT 94/1975 ©