02.11.2013 Aufrufe

Antworten auf Althusser - Berliner Institut für kritische Theorie eV

Antworten auf Althusser - Berliner Institut für kritische Theorie eV

Antworten auf Althusser - Berliner Institut für kritische Theorie eV

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Theorie</strong> der Geschichte: Geschichte der <strong>Theorie</strong>? 953<br />

kenntnisgegenstand erhält auch bei uns keine Lösung. <strong>Althusser</strong> setzt<br />

keineswegs neu und originell voraus, daß nicht die Chronologie von<br />

Ereignissen zum Erklärungsprinzip historischer Prozesse erhoben<br />

werden darf; im Gegensatz zu einem in Deutschland weitverbreiteten<br />

Irrtum hängt tatsächlich schon Marx nicht mehr an Hegels Idee<br />

eines dialektischen Geschichtsprozesses, der die konventionelle<br />

„Gleichsetzung von homogener linearer Zeit mit der Zeit der Geschichte<br />

zur Folge hat" 4 . Gerade weil <strong>Althusser</strong>, radikaler als Marx<br />

selbst, die Marxschen Aussagen zu diesem Punkt pointiert, ist von<br />

Seiten der Geschichtswissenschaft eine Diskussion seiner Thesen zunächst<br />

schwer möglich®.<br />

<strong>Althusser</strong> argumentiert — mit der Trennung in Real- und Erkenntnisobjekt<br />

— zunächst <strong>auf</strong> der Erkenntnisebene: die Kapital-<br />

Lektüre ist notwendig zur Rekonstruktion bzw. Weiterentwicklung<br />

des historischen Materialismus. Und <strong>Theorie</strong> ist dabei der Versuch,<br />

eine „Demarkationslinie" zu ziehen zwischen „den wahren und falschen<br />

Ideen": „Der ganze Klassenkampf läßt sich bisweilen zusammenfassen<br />

im Kampf um ein Wort gegen ein arideres Wort. Gewisse<br />

Worte kämpfen miteinander wie Feinde." 9<br />

Althiissers Kernfrage lautet: Erstens: warum zieht die Begründung<br />

der wissenschaftlichen <strong>Theorie</strong> der Geschichte notwendigerweise<br />

eine theoretische Revolution in der Philosophie nach sich? Oder<br />

setzt diese voraus? Zweitens: sind — bei der gegebenen engen Bindung<br />

— beide auseinanderzuhalten? (Wird dabei in „Pour Marx" der<br />

historische Materialismus noch streng vom Dialektischen abgetrennt,<br />

so verschiebt sich später diese Trennung stärker in das Beziehungsfeld:<br />

Politik — Philosophie — Wissenschaft.) Drittens: was bedeutet<br />

es dabei, daß <strong>Althusser</strong> das .Kapital' als Philosoph liest und daraus<br />

4 Kracauer, Siegfried: Geschichte — vor den letzten Dingen, Frankfurt/M.<br />

1974, S. 172.<br />

5 Trotz des Titels, den dieser Aufsatz trägt, wird deshalb hier <strong>auf</strong> die<br />

„Krise der westdeutschen Historiographie" (Geiss, I., u.a.: Ansichten<br />

einer künftigen Geschichtswissenschaft, München 1974) nicht eingegangen;<br />

nicht nur fällt also außer Betracht, daß diese die politische Geschichtsschreibung<br />

um die sozialwissenschaftliche „Betrachtungsweise" ergänzen<br />

will, „also (kurzatmig) versucht, den historischen Materialismus mit seinen<br />

eigenen Waffen (zu) schlagen". (Schieder, T.: Grundfragen der neueren<br />

deutschen Geschichte. Zum Problem der historischen Urteilsbildung, in:<br />

Historische Zeitschrift, 192 (1961), S. 3.) Und nicht nur ist es in unserem<br />

Zusammenhang irrelevant, daß die Geschichtswissenschaft sich nach wie<br />

vor der objektiven historischen Wahrheit durch die Verbindung von Verstehen<br />

und Methode zu nähern versucht (s. z. B. Faber, <strong>Theorie</strong> der<br />

Geschichtswissenschaft, München 1971, S. 128 ff.); ebensowenig — obwohl<br />

dies gründlicher behandelt werden müßte — wird hier schließlich jener<br />

Ansatz unvermittelt <strong>auf</strong>gegriffen, der die wissenschaftliche Praxis der<br />

Geschichtswissenschaft so verstehen will, „daß siè sich in politische Aufklärung<br />

umsetzen läßt" (Geiss, I.: Restauration — Stagnation — produktive<br />

Krise, in: Ansichten..., a.a.O., S. 23).<br />

6 <strong>Althusser</strong>: Für Marx, S. 212.<br />

DAS ARGUMENT 94/1975 ©

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!