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Antworten auf Althusser - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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958 Urs Jaeggi<br />

realen Gegenstand abgelöst wird. Die Behauptung ist lediglich: durch<br />

die wiederholte Umgestaltung des Erkenntnisobjektes erfolgt eine<br />

immer präzisere Erfassimg des Realobjektes.<br />

<strong>Althusser</strong> versucht, mögliche „Lesearten" abzuwägen. Wer das<br />

„Kapital" als Ökonom liest, die Frage nach dem Gehalt und der<br />

ökonomischen Relevanz seiner Analysen und Schemata stellt, vergleicht<br />

die Methode des Werkes mit einem fertig gegebenen, ihr<br />

äußerlichen Gegenstand, ohne diesen Gegenstand selbst in Frage zu<br />

stellen. Das „Kapital" als Historiker lesen heißt, es „mit der Fragestellung<br />

nach der Beziehung seiner historischen Analysen zu einem<br />

fertig gegebenen, äußerlichen Gegenstand lesen, ohne diesen Gegenstand<br />

selbst in Frage zu stellen". Das „Kapital" logisch lesen heißt,<br />

die Argumentationsmethoden abzufragen, abstrakt; das „Kapital"<br />

als Philosoph lesen bedeutet, den spezifischen Gegenstand einer spezifischen<br />

Darstellungsweise, d. h. die Beziehung zwischen Gegenstand<br />

und Darstellung in Frage zu stellen? 18<br />

Es handelt sich um den Versuch, die im „Kapital" (insgesamt in<br />

den Werken der „Reife") angelegte wissenschaftliche Umwälzung,<br />

d. h. Revolution, zu verdeutlichen und weiterzutreiben. Die dabei als<br />

notwendig erachtete „Unschuld der Marx-Lektüre" bezieht sich<br />

einerseits <strong>auf</strong> das Verhältnis dialektischer Marxismus (Philosophie)<br />

und historischer Materialismus (Wissenschaft: <strong>Theorie</strong> der Geschichte).<br />

Ich beziehe mich dabei in diesem Aufsatz <strong>auf</strong> <strong>Althusser</strong>s Rekonstruktionsversuche<br />

des historischen Materialismus.<br />

3. Der Begriff der Zeitlichkeit<br />

<strong>Althusser</strong>s These: die Konstruktion des Geschichtsbegriffes produziert<br />

eine Realität, die nichts zu tun hat mit den sichtbaren, chronologisch<br />

registrierbaren Ereignissen; als wirklich geschichtlich generell<br />

lassen sich nur die Ereignisse bestimmen, die die bestehende<br />

Strukturbeziehung verändern 19 . Das heißt erstens: die narrative Geschichtsschreibung<br />

kann, weil sie chronologisch verfährt, nie zu einer<br />

<strong>Theorie</strong> der Geschichte kommen. Zweitens: es ist auch falsch, die<br />

Existenz einer geschichtlichen „Totalität" in der Hegeischen Kategorie<br />

der Gleichzeitigkeit des Gegenwärtigen zu denken. Drittens:<br />

die Notwendigkeit, die Begriffe Genealogie, Synchronie, Diachronie,<br />

Dynamik, Tendenz in ihren Beziehungen zueinander zu situieren und<br />

ihre spezifischen Objekte zu bestimmen, erzwingt das Abrücken vom<br />

Deskriptiven: „In jeder <strong>Theorie</strong> der Geschichte (ob dieses nun wissenschaftlich<br />

oder ideologisch ist), gibt es eine strenge und notwendige<br />

Korrelation zwischen der Struktur des verwendeten Geschichtsbegriffes<br />

und dem Begriff der Zeitlichkeit, mit dem diese <strong>Theorie</strong><br />

die „Veränderungen", „Bewegungen", „Ereignisse" oder allgemein:<br />

die Phänomene, die zu ihrem Gegenstand gehören, denkt 20 . Nur<br />

18 KL, S. 13.<br />

19 KL I, S. 134.<br />

20 KL II, S. 394.<br />

DAS ARGUMENT 94/1975 ©

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