Antworten auf Althusser - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Die erkenntnistheoretischerl Auffassungen <strong>Althusser</strong>s 927<br />
Beziehung" zwischen einer „<strong>Theorie</strong> als reine geistige Schau ohne<br />
Körper und Materialität" und einer „durch und durch materielle(n)<br />
Praxis, die dann ,Hand anlegte'" 24 und den erkenntnistheoretischen<br />
Empirismus, der sowohl in idealistischem als auch in materialistischem<br />
Gewände <strong>auf</strong>treten kann und <strong>für</strong> den die Konfusion von Sache<br />
und Begriff, von Wirklichkeit und ihrer Erkenntnis charakteristisch<br />
ist. Der „materialistische" Empirismus begreift die Erkenntnis als<br />
wirklichen Bestandteil des wirklichen Gegenstandes (als sein Wesen);<br />
der „idealistische" Empirismus die Wirklichkeit als Bestandteil des<br />
Begriffs. Gegenüber der dichotomischen Auffassung hält <strong>Althusser</strong><br />
fest: „Wir behaupten, daß schon <strong>auf</strong> den ersten Stufen der Praxis<br />
... ein ,Erkenntnis'-Element präsent ist." So weit, so gut. Jedoch:<br />
„Wir sehen <strong>auf</strong> der anderen Seite, ... wie das, was man gemeinhin<br />
<strong>Theorie</strong> nennt, auch in seinen .reinsten' Erscheinungsformen ... eine<br />
Praxis ist." 25 Gegenüber der empiristischen Auffassung hält er an<br />
der absoluten Differenz zwischen „Realobjekt" und „Erkenntnisobjekt",<br />
zwischen der Ordnung des Seins und der Ordnung des Denkens<br />
fest: „Diese Grenze ist rechtens unüberschreitbar, weil sie als<br />
Grenze gar nicht existiert... weil es zwischen dem begrifflichen Abstraktum<br />
einer Sache und der empirisch-konkreten Sache selbst<br />
keinen gemeinsamen homogenen (geistigen oder realen) Raum<br />
gibt..." 26 ' 27<br />
Also doch eine radikale Dichotomie? Die Positionen scheinen sich<br />
zu widersprechen: was gegenüber der einen Auffassung festgehalten<br />
wird* wird an der anderen kritisiert. Aber was sich hier zu widersprechen<br />
scheint, hat seine Lösung im Argument gegen die dichoto-<br />
' mische Auffassung. Sie basiert <strong>auf</strong> zwei Postulaten: 1. Postulat: „... es<br />
(gibt) keine Praxis im allgemeinen, sondern nur verschiedene Praxis-<br />
Arten .. ." 28 2. Postulat: „... das, was man gemeinhin <strong>Theorie</strong> nennt<br />
... (ist) eine Praxis... Diese Praxis ist theoretisch." 29 Der komplexen,<br />
in Instanzen gegliederten gesellschaftlichen Totalität entspricht<br />
eine soziale Praxis-Totalität, die in spezifische Praxis-Arten<br />
gegliedert ist, genauer: die Instanzen oder Ebenen sind die Praxis-<br />
Arten selbst. So scheint der Dualismus von <strong>Theorie</strong> und Praxis überwunden:<br />
denn die <strong>Theorie</strong> wird selbst als Praxis begriffen. Und<br />
ebenso seine Kehrseite: denn der Bruch mit dem „egalitaristischen<br />
Mythos der Praxis" 80 läßt es zu, scharf zwischen der „reinen", ide-<br />
24 LLC I S. 70/DKL S. 76.<br />
25 LLC I S. 71/DKL S. 78.<br />
26 LLC II S. 67/DKL S. 256.<br />
27 Bei Spinoza, den <strong>Althusser</strong> als direkten Vorläufer Marxens betrachtet<br />
(vergleiche dazu LLC II S. 63/DKL S. 252), heißt es: „So erhält auch<br />
ein Denken durch das andere Denken seine Grenzen. Aber der Körper<br />
kann durch kein Denken, und das Denken durch keinen Körper begrenzt<br />
werden" (Ethik, 1. Teil, Von Gott; zitiert aus H.-G. Gadamer, Philosophisches<br />
Lesebuch, Frankfurt/M. 1967, S. 153).<br />
28 LLC I S. 70/DKL S. 76.<br />
29 LLC I S. 71/DKL S. 78.<br />
30 LLC I S. 70/DKL S. 77.<br />
DAS ARGUMENT 94/1975 ©