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Antworten auf Althusser - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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960 Urs Jaeggi<br />

(Periodisierung) ermöglicht, die es erlaubt, sowohl die vergangenen<br />

Produktionsweisen (in reiner Form) zu rekonstruieren als auch<br />

künftige, von denen man allenfalls die allgemeinen Bedingungen<br />

kennt.<br />

Der Vorwurf, dieser Ansatz sghe nur die .Synchronie', nicht auch<br />

die .Diachronie', er sehe nur dip Produktionsmechanismen einer bestimmten<br />

Gesellschaftsformation, ist gängig, indes falsch. Synchronie<br />

wird gesehen als die Repräsentation der Organisationsstruktur der<br />

Begriffe in der Gedankentotalität (das heißt bei Marx: in der Synthese,<br />

bei <strong>Althusser</strong>: im System). Das System begrifflicher Gliederung<br />

legt erstens die Definition jedes einzelnen Begriffs in seinem<br />

Stellenwert und seiner Funktion im gesamten System fest. Zweitens:<br />

Das System der Begriffshierarchie bestimmt die „diachronische" Ordnung<br />

ihres Auftretens im wissenschaftlichen Diskurs 23 . Als Diachronie<br />

im üblichen, allerdings ideologischen Sinn, wird so das Werden<br />

des Gegenwärtigen in der Folge einer zeitlichen Kontinuität bezeichnet,<br />

wobei die „Geschehnisse" <strong>auf</strong> die „Geschichte" im strengen Sinn<br />

dann reduziert werden; 24 vorausgesetzt wird eine kontinuierlichhomogene<br />

Zeit, die nicht existiert. Das Begriffspaar Synchronie/<br />

Diachronie verschwindet.<br />

Die expressive Totalität, mit einer nur geschichtsphilosophisch bestimmbaren<br />

Vorstellung vom Ganzen, wird ersetzt durch eine „strukturale<br />

Zeitlichkeit"; es handelt sich um eine „komplexe Zeit", die man<br />

nicht aus der kontinuierlichen Zeit des Lebens oder der Uhren herauslesen<br />

kann 25 .<br />

Was heißt das? <strong>Althusser</strong> und Balibar versuchen zu zeigen, daß<br />

und wie die Kritik der politischen Ökonomie als <strong>Theorie</strong> eine logische<br />

Struktur besitzt. Deutlich sichtbar wird dies in dem im „Kapital"<br />

. <strong>auf</strong>gedeckten „Kreisl<strong>auf</strong>programm". Die Darstellung des Kapitalprozesses<br />

beginnt mit der Untersuchung der Mehrwertproduktion,<br />

d. h. mit der Untersuchung der Produktionssphäre. Erst nach seiner<br />

Produktion wird das Produzierte verk<strong>auf</strong>t und die Verteilung der<br />

Revenue setzt die Produktion dessen voraus, was allererst zirkulieren<br />

wie auch ausgetauscht und verteilt werden soll. Das heißt u. a.:<br />

Die Totalität des kapitalistischen Reproduktionszusammenhanges ist<br />

keine fertig gegebene Struktur, sondern ein Entwicklungsprozeß, der<br />

darin besteht, alle Elemente der Gesellschaft sich unterzuordnen,<br />

oder die ihm noch fehlenden Organe aus ihr heraus zu schaffen. In<br />

dieser „inneren" Logik des Systems wird die Synchronie der Ereignisse<br />

wesentlicher als die Diachronie. Für das Einzelkapital werden<br />

die Stadien als sukzessive Formveränderungen erlebt, während der<br />

gesellschaftliche Gesamtkreisl<strong>auf</strong> (das Gesamtkapital) die einzelnen<br />

Stadien immer auch gleichzeitig verwirklicht: Das „Kapital" als Analyse<br />

des Systems der vom Kapital beherrschten Produktionsweise er-<br />

23 KL I, S. 9.<br />

24 KL I, S. 125.<br />

25 KL, S. 132 ff.<br />

DAS ARGUMENT 94/1975 ©

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