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Antworten auf Althusser - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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<strong>Theorie</strong> der Geschichte: Geschichte der <strong>Theorie</strong>? 961<br />

faßt so das, was man die innere Geschichtlichkeit nennen könnte.<br />

Noch wenn es vom Feudalismus zum Kapitalismus Brüche, Unterbrüche<br />

und Verzögerungen gab: zu bestimmen gilt es eine Epoche,<br />

oder anders: eine „Entwicklungstheorie", die nicht evolutionär verfährt.<br />

Sowohl empirisch als auch theoretisch besitzt dabei das „Modell"<br />

einer diskontinuierlichen Entwicklung Stringenz; der „Entwicklungsprozeß"<br />

ist das Resultat von materiellen und ideellen Entfaltungen,<br />

von Regressionen, Katastrophen und Brüchen. Erst die konstruierte<br />

theoretische Einheit (die verschiedene Determination von<br />

Beziehungen) definiert die Elemente eines Ganzen; die so erreichte<br />

„konkrete Totalität" (oder, in heutiger Terminologie: das System)<br />

darf dabei freilich nicht als statisches Relationsgefüge mißverstanden<br />

werden.<br />

„Geschichte" und Geschichte sind nicht identisch: „.Geschichte' ist<br />

eine durch Abstraktion von der Fülle der Geschehnisse, dtfr Vergangenheit<br />

und durch Synthesis der wesentlichen Strukturelemente<br />

der vergangenen Wirklichkeit gewonnene theoretische Kategorie" 26 .<br />

Die Rekonstruktion der Geschichte hat von der Analyse, die <strong>für</strong> eine<br />

konkrete Gesellschaft die determinierenden Strukturelemente <strong>auf</strong>zeigt,<br />

auszugehen. Für die kapitalistische Gesellschaft bedeutet dies:<br />

Analyse der Ware, des Kapitals, der Lohnarbeit, der Konsumtion,<br />

der Produktion sowie der Klassenstruktur 27 .<br />

Schön und richtig. Es bleibt die Frage: wird hier die Periodisierung<br />

der „Geschichte" bloß formal bestimmt; wieweit widerspiegelt sie<br />

die Realität? <strong>Althusser</strong>s Konzept ist jedenfalls in fataler Weise <strong>auf</strong><br />

einen Punkt gebracht, wo es sich einerseits sowohl mechanistisch<br />

interpretieren läßt („wir sehen uns einem objektiven System gegenüber,<br />

das in seinen konkretesten Bestimmungen von den Gesetzmäßigkeiten<br />

seinen ,Mechanismus', von den Spezifikationen seines<br />

Begriffs geregelt wird") 28 ; andererseits unternimmt er den Versuch,<br />

die derzeitigen Formen des proletarischen Klassenkampfes aktiv zu<br />

begreifen. Das bedeutet: Die gesellschaftlich-ökonomischen Gesetze<br />

werden als objektive verstanden; sie wirken unabhängig davon, ob<br />

ihre Objektivität erkannt wird oder nicht: sie entfalten eine Wirkung,<br />

die vom Willen der Individuen nicht mehr beeinflußbar ist.<br />

Blind ist die Notwendigkeit dabei nur, insofern dieselbe nicht begriffen<br />

wird. „Nicht in der geträumten Unabhängigkeit von den Naturgesetzen<br />

liegt die Freiheit, sondern in der Erkenntnis dieser Gesetze,<br />

und in der damit gegebenen Möglichkeit, sie planmäßig zu bestimmten<br />

Zwecken wirken zu lassen." 29 Daß hier die <strong>Theorie</strong>produktion<br />

als Erkenntnisprozeß vor der Praxis, die ja sonst nur „blind"<br />

sein könnte, Priorität erlangt, ist offensichtlich. <strong>Althusser</strong> sieht die<br />

26 Sandkühler, H. J.: Praxis und Geschichtsbewußtsein, Frankfurt/M.<br />

1973, S. 34.<br />

27 KL I, S. 68 f., KL II, S. 221 f.<br />

28 KL II, S. 260.<br />

29 MEW 20, S. 106.<br />

DAS ARGUMENT 94/1975 ©

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