Antworten auf Althusser - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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990 Hansgeorg Coriert<br />
schäftigten die große Mehrzahl der Gesellschaft, ihrer Lage und<br />
Interessen bewußt, können diese organisierten Ausdruck annehmen<br />
und, über den Staat vermittelt, Inhalt und Richtung des sozioökonomischen<br />
Entwicklungsprozesses bestimmen.<br />
Möglicher Kritik an seiner Konzeption beugt Steffen dadurch vor,<br />
daß er sie pauschal der zur Schimäre stilisierten „Stamokap"-<strong>Theorie</strong><br />
zuordnet. Obgleich er ansonsten extensiv, wenn auch eklektisch,<br />
neuere sozialwissenschaftliche Literatur rezipiert und zitiert, folgt er<br />
im Kontext politischer Herrschaft nur dem kritisch-systemtheoretischen<br />
Ansatz von Habermas und Offe. Die Arbeiten z. B. von Müller/Neusüss,<br />
Altvater und Hirsch sowie andere neuere Beiträge zu<br />
einer Rekonstruktion und Weiterführung materialistischer Staatstheorie<br />
negiert er. Der Grund da<strong>für</strong> dürfte kaum Unkenntnis sein.<br />
Und mangelnde Zustimmung benutzt Steffen ansonsten gern als<br />
Anlaß zu Kritik und Polemik. Der Verzicht <strong>auf</strong> eine grundlegende<br />
Reflexion der Macht- und Staatsproblematik ermöglicht ihm jedoch<br />
eine fragwürdige Restauration: die des alten sozialdemokratischzentristischen<br />
Widerspruchs zwischen verbaler Kapitalismuskritik und<br />
dem Fehlen einer stringenten politischen Strategiekonzeption (vgl.<br />
dazu Georg Fülberth, in Argument 63, XIII. Jg. 1971). Der klassischen<br />
Bernsteinschen Forderung, <strong>Theorie</strong> und Handeln in reformistischem<br />
Sinne in Übereinstimmung zu bringen, hat die SPD spätestens<br />
seit Godesberg Rechnung getragen. 15 Jahre danach weist sich ein<br />
Mitglied des Parteivorstands, durch das selbstgepflegte Image des<br />
„roten Jochen" bereits hinreichend verdächtig, als Marx-Verehrer,<br />
Kapitalismus-Kritiker und Systemveränderer aus. Auch im vordergründigen<br />
Sinne gegen den Strom und zur Unzeit: just bei Erscheinen<br />
des Buches bereitete der Macher und Systembejaher Schmidt<br />
den Reformillusionen der Ära Brandt ein jähes Ende. Eine Antwort<br />
<strong>auf</strong> die sich <strong>auf</strong>drängende Frage, ob er glaubt, die SPD sei umzuformen<br />
in eine politische Kraft zur Durchsetzung der aus seiner<br />
Sozialphilosophie folgenden praktischen Konsequenzen, bleibt Steffen<br />
eigentlich schuldig. Die Räson des engagierten Sozialdemokraten<br />
fordert vom Autor, bei aller wissenschaftlichen Aspiration, ihren<br />
legitimationsideologischen Tribut.<br />
DAS ARGUMENT 94/1975 ©