Antworten auf Althusser - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Die erkenntnistheoretischerl Auffassungen <strong>Althusser</strong>s 931<br />
wenn menschliche Individuen seine Träger sind. Dieses Denken ist<br />
vielmehr das historisch konstituierte System eines Denkapparates,<br />
gegründet in und verknüpft mit der natürlichen und gesellschaftlichen<br />
Wirklichkeit. Es ist bestimmt vom System der realen Bedingungen,<br />
die es — wenn ich diesen Ausdruck wagen darf — zu einer<br />
bestimmten Produktionsweise von Erkenntnissen machen. Als solches<br />
ist es durch eine Struktur konstituiert, die eine Verbindung<br />
darstellt zwischen dem Objekttyp (Rohstoff), an dem es arbeitet, den<br />
Mitteln theoretischer Produktion, über die es verfügt (seine <strong>Theorie</strong>,<br />
seine Methode, seine Technik experimenteller oder anderer Prägung)<br />
und den (zugleich theoretischen, ideologischen und gesellschaftlichen)<br />
historischen Beziehungen, innerhalb derer es produziert. Dieses ganz<br />
bestimmte System von Bedingungen der theoretischen Praxis weist<br />
dem einzelnen denkenden Subjekt (Individuum) seine Stelle und<br />
Funktion in der Produktion von Erkenntnissen zu." 40 Wir sehen hier<br />
zunächst ab vom Problem der Analogie von Erkenntnisprozeß und<br />
materiellem Produktionsprozeß. Sie kann, wie Gößler 41 zeigt, durchaus<br />
fruchtbar sein, wenn ihre Grenzen sorgfältig bestimmt werden.<br />
Zwei Momente sind jedoch an dieser Charakteristik festzuhalten:<br />
1. Die radikale Trennung von Denkprozeß und Realprozeß, <strong>auf</strong> die<br />
<strong>Althusser</strong> so viel Gewicht legt — und zu der Marx bemerkt, daß sie<br />
zwar richtig, aber eine Tautologie sei, da sie weiter nichts aussage,<br />
als daß der Gedanke ideell und das Materielle real ist —, läßt ihn<br />
übersehen, daß die „Bewegung der Kategorien" „leider nur einen<br />
Anstoß von außen erhält" und daß das Realobjekt zwar vom Denken<br />
unberührt fortexistieren kann, aber nur, „solange sich der Kopf<br />
nämlich nur spekulativ verhält, nur theoretisch". Das Marxsche Programm<br />
einer <strong>Theorie</strong> der Erkenntnis ist hier in den Nebensätzen angelegt,<br />
<strong>auf</strong> die <strong>Althusser</strong> verzichtet. Die Genesis, der Erkenntnis aus<br />
dem materiellen Lebensprozeß und ihre Funktion und Bestimmung<br />
bezüglich desselben erscheinen bei ihm gerade noch als ephemere<br />
Randbedingungen, die dem Erkenntnisprozeß als solchem jedoch<br />
radikal äußerlich sind. Dank seiner Praxisförmigkeit ist der Denkvorgang<br />
dem Realprozeß prinzipiell gleichwertig. Der Vorgang<br />
„rein" theoretischer Erkenntnisproduktion, Resultat der historischen<br />
Entwicklung des Erkenntnisprozesses und als Ereignis nur im System<br />
desselben begreifbar — zum Beispiel die Ableitung des Vorhandenseins<br />
chemischer Elemente aus dem Periodensystem noch vor<br />
ihrer Darstellung im Labor —, erscheint nun als überhistorische<br />
Natur.<br />
2. Der Verkehrung des Subjekt-Objekt-Verhältnisses in der Bestimmung<br />
der Praxis überhaupt entspricht seine Auflösung als gnoseologische<br />
Basis-Relation im Erkenntnisvorgang. Das „historisch<br />
konstituierte System eines Denkapparats" subsumiert sich die „den-<br />
40 LLC I S. 47—48/DKL S. 52—53.<br />
41 Klaus Gössler, Erkennen als sozialer Prozeß, in „Deutsche Zeitschrift<br />
<strong>für</strong> Phüosophie", 5/1972, S. 517 ff.<br />
DAS ARGUMENT 94/1975 ©