Kaiserschnittgeburten – Entwicklung und regionale Verteilung
Kaiserschnittgeburten – Entwicklung und regionale Verteilung
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3 Bedarfsgerechte Versorgung <strong>und</strong> Evidenz<br />
Ängste der werdenden Mütter<br />
Angstgefühle der Mutter <strong>–</strong> bezogen auf den Geburtsschmerz, auf Gefährdungen des Kindes<br />
oder in Bezug auf Spätfolgen einer vaginalen Entbindung (z. B. Schädigung der Beckenbodenmuskulatur,<br />
Inkontinenz, Störungen der Sexualfunktion) <strong>–</strong> rechnet die DGGG zu „den ‚weichen‘<br />
relativen, allgemein medizinischen Sectioindikationen“ (DGGG 2010a, S. 2).<br />
Während die DGGG (2010a) die Angst vor dem Geburtsschmerz als relative Indikation für eine<br />
Sectio anerkennt, betonen Hebammen, Ges<strong>und</strong>heitswissenschaftlerinnen <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitswissenschaftler,<br />
dass die Sectio eine technische Lösung für ein psychologisches Problem ist<br />
(Baumgärtner & Schach 2010). Diese Haltung wird von der NICE-Leitlinie (2011) unterstützt.<br />
Sie empfiehlt, Frauen, die aufgr<strong>und</strong> von Ängsten eine Sectio wünschen, zunächst eine psychologische<br />
Beratung anzubieten („professional with expertise in providing perinatal mental<br />
health support“). Erst wenn sie dieses Angebot ablehnen oder zu dem Schluss kommen, dass<br />
eine vaginale Geburt für sie keine Option ist, soll ihnen ein geplanter Kaiserschnitt angeboten<br />
werden.<br />
„Wunschkaiserschnitte“<br />
Besonders kontrovers wird die Frage diskutiert, ob <strong>–</strong> angesichts der stark gesunkenen Risiken<br />
des chirurgischen Eingriffs, vor allem beim geplanten Kaiserschnitt <strong>–</strong> nicht auch der<br />
bloße Wunsch der Schwangeren nach einer Schnittentbindung als ausreichende Indikation<br />
anzuerkennen sei. Erkennt man <strong>–</strong> wie die DGGG (2010a) mütterliche Ängste <strong>und</strong> Besorgnisse<br />
als „allgemein medizinische“ Indikationen zur Sectio an, so bleiben darüber hinaus für den<br />
„Wunschkaiserschnitt“ im engeren Sinne noch Begründungen wie die Wahl eines bestimmten<br />
Geburtstermins bzw. die Abstimmung der Geburt mit anderen terminlichen Dispositionen der<br />
Mutter.<br />
Befürworter von Kaiserschnitten auf Wunsch der Mutter weisen insbesondere darauf hin, dass<br />
das Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren angesichts der fehlenden medizinischen Argumente<br />
gegen den Kaiserschnitt als Begründung ausreiche, sofern die Frau über die Vor- <strong>und</strong><br />
Nachteile der unterschiedlichen Entbindungsmodi hinreichend aufgeklärt worden sei. Da auch<br />
die natürliche vaginale Geburt nicht risikofrei ist, werden auch Vergleiche angestellt, inwieweit<br />
Schädigungen oder Todesfälle vermieden werden könnten, wenn von der Möglichkeit zum<br />
geplanten Kaiserschnitt nach 39-wöchiger Schwangerschaft Gebrauch gemacht würde (Hankins<br />
et al. 2006).<br />
Kritiker der Wunschkaiserschnitte weisen darauf hin, dass Schwangerschaft <strong>und</strong> Geburt<br />
zunächst einmal „vitale physiologische Lebensprozesse“ (Sayn-Wittgenstein 2007) sind, in die<br />
nicht unnötig mit Interventionen eingegriffen werden sollte. Ferner sei zu konstatieren, dass<br />
über mögliche mittel- <strong>und</strong> langfristige Folgen auf psychischer <strong>und</strong> sozialer Ebene zu wenig<br />
bekannt sei.<br />
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