Kaiserschnittgeburten – Entwicklung und regionale Verteilung
Kaiserschnittgeburten – Entwicklung und regionale Verteilung
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3 Bedarfsgerechte Versorgung <strong>und</strong> Evidenz<br />
Keine Studien zu<br />
langfristigen Effekten<br />
Nach einem geplanten Kaiserschnitt ist zudem ein längerer Krankenhausaufenthalt belegt. Für<br />
alle anderen Outcomes lassen sich keine Unterschiede aufzeigen (z. B. W<strong>und</strong>infektion, Atemstörungen<br />
des Neugeborenen) bzw. muss die Studienlage als widersprüchlich beurteilt werden (z. B.<br />
Müttersterblichkeit, Säuglingssterblichkeit). NICE weist jedoch zudem darauf hin, dass Studien<br />
fehlen, die die mittel- <strong>und</strong> langfristigen Effekte eines geplanten Kaiserschnitts im Vergleich zur<br />
geplanten vaginalen Geburt erheben, insbesondere auf das Stillen <strong>und</strong> die psychische Ges<strong>und</strong>heit<br />
von Mutter <strong>und</strong> Kind, aber auch in Bezug auf längerfristige Atemprobleme <strong>und</strong> neurologische<br />
Störungen beim Neugeborenen. Es gibt Hinweise darauf, dass für das Neugeborene das Risiko für<br />
Diabetes Typ 1 durch einen Kaiserschnitt erhöht ist (Cardwell et al. 2008; Ziegler et al. 2011), <strong>und</strong><br />
auch ein erhöhtes Asthmarisiko wird vermutet (Thavagnanam et al. 2007). Auch scheint das Risiko<br />
für Adipositas nach einer Sectio erhöht (Huh et al. 2012).<br />
Zur Bewertung der Risiken sind vor allem auch die langfristigen Folgen <strong>–</strong> insbesondere für die<br />
reproduktive Ges<strong>und</strong>heit <strong>–</strong> relevant. So ist das Risiko, dass sich die Plazenta bei einer nachfolgenden<br />
Schwangerschaft an einer falschen Stelle einnistet, erhöht. Bei Frauen mit weiterem Kinderwunsch<br />
müssen somit die Risiken (vor allem bei primärer Sectio) sorgfältig abgewogen werden (NICE 2011).<br />
3.4 Hypothesen zu den Ursachen des Anstiegs bzw. der <strong>regionale</strong>n<br />
Unterschiede der Kaiserschnittrate<br />
Im Kern der Diskussion um die Höhe der Kaiserschnittrate steht die Frage, wann eine Sectio<br />
angemessen ist. So trivial sich diese Frage anhört, so schwierig ist sie zu beantworten. Schwangerschaft<br />
<strong>und</strong> Geburt sind zunächst einmal „vitale physiologische Lebensprozesse“ (Sayn-Wittgenstein<br />
2007); die Frage, wann in diese Vorgänge mit Interventionen eingegriffen werden soll oder<br />
muss, trennt nicht nur die Berufsgruppen <strong>–</strong> Hebammen mit einem abwartenden Selbstverständnis<br />
(„begründete Nichtintervention“, Sayn-Wittgenstein 2007, S. 40) einerseits, Geburtsmedizinerinnen<br />
<strong>und</strong> -mediziner mit einem risikoorientierten <strong>und</strong> interventionsfre<strong>und</strong>lichen Eingreifen<br />
andererseits <strong>–</strong>, sondern auch ältere Geburtsmedizinerinnen <strong>und</strong> -mediziner von jüngeren. Eine<br />
abwartende, interventionsarme Klinikgeburtshilfe mit niedriger Kaiserschnittrate wird auch angesichts<br />
gestiegener Berufshaftpflichtprämien in der Geburtshilfe <strong>und</strong> einer defensiven Geburtsmedizin<br />
kaum noch als Qualitätsmerkmal eines Krankenhauses wahrgenommen: „Insbesondere die<br />
ärztliche Ausbildung ist auf ‚Handeln‘ ausgelegt. ‚Abwarten‘ wird nicht gelehrt <strong>und</strong> nicht belohnt“<br />
(Lutz & Kolip 2006, S. 22).<br />
Hypothesen:<br />
Warum stieg die<br />
Kaiserschnittrate …<br />
Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> lassen sich eine Reihe von Hypothesen zu den Ursachen <strong>und</strong> Hintergründen<br />
des Anstiegs der Kaiserschnittrate formulieren. Diese Hypothesen sind gleichzeitig auch<br />
daraufhin zu prüfen, inwieweit sie jeweils zur Ausbildung <strong>regionale</strong>r Unterschiede der Sectioraten<br />
beitragen. Die betreffenden Ursachen können entweder auf der Ebene der <strong>regionale</strong>n Schwangerenpopulationen<br />
unterschiedlich ausgeprägt sein, oder aber die an der Entscheidung Beteiligten<br />
(Schwangere <strong>und</strong> deren Familien, Ärzte, Hebammen) bewerten, urteilen <strong>und</strong> handeln in den verschiedenen<br />
Regionen unterschiedlich.<br />
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