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Kaiserschnittgeburten – Entwicklung und regionale Verteilung

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3 Bedarfsgerechte Versorgung <strong>und</strong> Evidenz<br />

3.4.4 Betreuung <strong>und</strong> Beratung in der Schwangerschaft <strong>und</strong><br />

Risikoorientierung in der Geburtshilfe<br />

66 % der Schwangeren<br />

mit Risikobef<strong>und</strong><br />

In der fachwissenschaftlichen Diskussion herrscht Konsens, dass sich die Geburtshilfe mit Einführung<br />

der Mutterschaftsrichtlinien im Jahr 1966 zu einer risikoorientierten Geburtsmedizin<br />

gewandelt hat (Vetter 2005; Sayn-Wittgenstein 2007). Im Selbstverständnis der Gynäkologinnen<br />

<strong>und</strong> Gynäkologen dient die vorgeburtliche Betreuung vor allem dazu, Risiken für Mutter <strong>und</strong> Kind<br />

zu erkennen (DGGG 2008). 13 Mit häufigen Kontrollen <strong>und</strong> Vorsorgeuntersuchungen sowie einer<br />

Überwachung unter der Geburt sollen Risiken erkannt <strong>und</strong> verhindert werden, um die Ges<strong>und</strong>heit<br />

von Mutter <strong>und</strong>/oder Kind zu verbessern. Deutschland fällt im internationalen Vergleich durch<br />

eine hohe vorgeburtliche Untersuchungsdichte auf, die zu einer Attestierung zahlreicher Risiken<br />

führt (Baumgärtner & von Rahden 2010). Nur 26,6 % aller Schwangeren erhielten 2010 laut Perinatalstatistik<br />

kein Risiko attestiert (AQUA 2011). Bei 66,1 % wurde im Rahmen der Anamnese ein<br />

Risiko festgestellt, bei 26,8 % wurde im Laufe der Schwangerschaft ein Risiko bef<strong>und</strong>et. Besonders<br />

häufig sind hier Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes) <strong>und</strong> vorzeitige Wehen.<br />

Folge: Mehr<br />

Technikorientierung<br />

Ges<strong>und</strong>heitswissenschaftlerinnen, Ges<strong>und</strong>heitswissenschaftler <strong>und</strong> Hebammen kritisieren die<br />

Technisierung der physiologischen Geburt (Hellmers & Schücking 2005; B<strong>und</strong> Deutscher Hebammen<br />

2006; Lutz & Kolip 2006; Sayn-Wittgenstein 2007), weil sie die Arzt-„Patientinnen“-Kommunikation<br />

verändert, geburtshilfliche Fähigkeiten verloren gehen <strong>und</strong> auch auf Schwangere <strong>und</strong><br />

Gebärende einen Einfluss hat: So gehen Frauen ängstlicher durch die Schwangerschaft, nehmen<br />

die technikorientierte Schwangerschaftsbegleitung als selbstverständlich wahr <strong>und</strong> verlieren in<br />

der Folge die Zuversicht, die Geburt aus eigener Kraft zu bewältigen (Baumgärtner & Stahl 2005).<br />

Zudem fehlen bislang überzeugende Belege, dass eine hohe Dichte von Kontrolluntersuchungen<br />

zu besseren kindlichen <strong>und</strong> maternalen Outcomes führt; internationale Vergleiche bestätigen<br />

diese Vermutung jedenfalls nicht (Tew 2007). Vielmehr werden schon geringe Normabweichungen<br />

pathologisiert <strong>und</strong> führen zu Interventionen (Lutz & Kolip 2006).<br />

Weniger Kaiserschnitte<br />

durch intensive<br />

Hebammenbetreuung?<br />

Daraus lässt sich die Hypothese ableiten, dass die Neigung zu Kaiserschnittentbindungen abnehmen<br />

sollte, je stärker Hebammen in die vorgeburtliche Betreuung der Schwangeren bzw. in die<br />

Leitung der Geburt eingeb<strong>und</strong>en sind. In Abschnitt 5.2.3 wird mit den Routinedaten der BARMER<br />

GEK der Zusammenhang zwischen Hebammenbetreuung in der Schwangerschaft <strong>und</strong> bei der<br />

Geburt <strong>–</strong> insbesondere in der „1:1-Betreuung“ durch Beleghebammen <strong>–</strong> analysiert.<br />

Haftungsrecht fördert<br />

Risikoorientierung<br />

Eine Ursache für die gestiegene Risikoorientierung in der Geburtshilfe ist sicherlich in haftungsrechtlichen<br />

Gründen zu suchen: Die Berufshaftpflichtprämien in der Geburtshilfe sind in den vergangenen<br />

Jahren stark angestiegen, so dass in den meisten Kliniken eine defensive Geburtsmedizin<br />

verfolgt wird. In jüngster Zeit wurden die Berufshaftpflichtversicherungen von geburtshilflich<br />

13<br />

Interessanterweise wird als zweites Ziel der Abbau von Befürchtungen r<strong>und</strong> um die Geburt auf Seiten der Mutter angeführt. Inwieweit diese beiden<br />

Zielsetzungen kompatibel sind, muss an dieser Stelle ungeklärt bleiben.<br />

34

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