Kaiserschnittgeburten – Entwicklung und regionale Verteilung
Kaiserschnittgeburten – Entwicklung und regionale Verteilung
Kaiserschnittgeburten – Entwicklung und regionale Verteilung
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6 Zusammenführung der Ergebnisse <strong>und</strong> Interpretation<br />
Regionale<br />
Prävalenzunterschiede<br />
bei Re-Sectio-<br />
Indikation<br />
Ein vorangegangener Kaiserschnitt führt häufig zu einem erneuten Kaiserschnitt. Bei Frauen, die<br />
ihr erstes Kind per Kaiserschnitt geboren haben, kommt in drei von vier Fällen auch das jüngere<br />
Kind per Kaiserschnitt auf die Welt. Wurde das ältere Kind ohne Kaiserschnitt geboren, liegt die<br />
Kaiserschnittrate bei der Geburt des jüngeren Kindes dagegen bei Werten von maximal 10 %.<br />
Bei der Diagnose einer Uterusnarbe wegen eines vorangegangenen chirurgischen Eingriffs <strong>–</strong> in<br />
der Regel also eines vorangegangenen Kaiserschnitts <strong>–</strong> spielen vor allem die <strong>regionale</strong>n Auftretenshäufigkeiten<br />
eine entscheidende Rolle. Die diagnosespezifischen Kaiserschnittraten <strong>–</strong> also<br />
die unterschiedlichen geburtshilflichen Vorgehensweisen <strong>–</strong> sind von geringerem, aber ebenfalls<br />
signifikantem Einfluss. Die Ergebnisse stehen in Einklang mit der naheliegenden Annahme eines<br />
Selbstverstärkungseffekts: In Regionen mit insgesamt hohen Kaiserschnittraten muss die Zahl<br />
von Frauen, die bei einer zweiten, dritten usw. Schwangerschaft eine Uterusnarbe aufweisen,<br />
zwangsläufig wachsen <strong>und</strong> dadurch vermeintlich neue Indikationen zum wiederholten Kaiserschnitt<br />
erzeugen. Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie <strong>und</strong> Geburtshilfe ebenso wie das britische<br />
NICE empfehlen im Regelfall auch bei vorangegangenem Kaiserschnitt den Versuch einer<br />
vaginalen Geburt. Diese Empfehlung wird, das zeigen die Ergebnisse der Untersuchungen dieses<br />
Faktenchecks, nicht in allen Regionen in gleichem Maße <strong>und</strong> insgesamt noch zu selten umgesetzt.<br />
Erklärungsansätze<br />
Als Erklärungsansätze für das unterschiedliche Vorgehen bei vorliegenden Risikokonstellationen<br />
muss jedoch erwähnt werden, dass die Empfehlungen in den vorliegenden Leitlinien häufig keine<br />
ausreichende Orientierung für die Geburtshelfer bieten, da sie entweder veraltet, zu unkonkret<br />
oder gar nicht vorhanden sind. Zudem können Aufklärungsdefizite auf Seiten der werdenden<br />
Eltern, aber auch bei Ärztinnen <strong>und</strong> Ärzten sowie Hebammen bezüglich der prinzipiell geeigneten<br />
Geburtsmodi mit ausschlaggebend für die hohen <strong>und</strong> regional abweichenden Kaiserschnittraten<br />
sein. Diese Aufklärungsdefizite können aus einer regional nicht ausreichend oder nicht ausreichend<br />
spezialisiert ausgebauten Beratungsstruktur resultieren. Weitere plausible Erklärungsansätze<br />
für den Anstieg <strong>und</strong> die <strong>regionale</strong> Variation der Kaiserschnittrate sind:<br />
zunehmende Tendenz zur Risikovermeidung bei den werdenden Eltern;<br />
zunehmende Tendenz zur Risikovermeidung bei den klinischen Geburtshelfern, für die eine<br />
Ursache sicherlich auch in haftungsrechtlichen Gründen liegen dürfte;<br />
die sich verändernden Fähigkeiten der Geburtshelfer bspw. in Bezug auf Zwillings- <strong>und</strong><br />
Becken endlagengeburten; hier sei noch einmal erwähnt, dass die Möglichkeiten für die Lehre<br />
<strong>und</strong> Übung alternativer Entbindungsverfahren umso mehr abnehmen, je öfter diese Geburten<br />
mittels Kaiserschnitt erfolgen.<br />
Im vorgenannten Kontext könnte auch von Bedeutung sein, dass für diese speziellen klinischen<br />
Konstellationen kaum Ansätze für eine Steuerung <strong>und</strong> Zentralisierung in Kliniken erkennbar<br />
sind, die alternative Verfahren überhaupt noch anwenden. Werdenden Eltern kann teilweise<br />
regional keine Alternative zu einer Sectio an einer Klinik angeboten werden.<br />
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