Scan (50 MB) - Deutscher Rat für Landespflege
Scan (50 MB) - Deutscher Rat für Landespflege
Scan (50 MB) - Deutscher Rat für Landespflege
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Gerhard Olschowy<br />
Erholung und Freizeit - Natur und Landschaft<br />
- in bezug auf das Projekt „Center Parc Bispinger Heide"<br />
Der Bereich .Freizeit und Erholung", der zwangsläufig auch Touristik<br />
und Fremdenverkehr einschließt, steht in enger Beziehung zu<br />
Natur und Landschaft. Das veranlaßte auch den Deutschen <strong>Rat</strong> <strong>für</strong><br />
<strong>Landespflege</strong> im Oktober 1988, ein internes wissenschaftliches<br />
Kolloquium in Herrsching am Ammersee/Obb. durchzuführen, in<br />
dem die Problematik von einer großen Anzahl von Sachverständigen<br />
vorgetragen und in Aussprachen behandelt wurde.<br />
In seinen Referaten und Aussprachen ließ das Kolloquium deutlich<br />
erkennen, welche Bedeutung Natur und Landschaft <strong>für</strong> viele Freizeitaktivitäten<br />
zukommt und wie stark die <strong>Landespflege</strong> mit ihren<br />
Teilbereichen Naturschutz, Landschaftspflege und städtebauliche<br />
Grünordnung herausgefordert wird. Der Drang nach besseren natürlichen<br />
Lebensbedingungen, nach Naturerlebnis, aber auch der<br />
erhöhte Bedarf an Betätigungsmöglichkeiten in der freien Landschaft<br />
lassen die Probleme <strong>für</strong> die <strong>Landespflege</strong> deutlich werden.<br />
Diese Probleme sind offensichtlich dadurch bedingt, daß im Wohnumfeld<br />
der Siedlungsgebiete ein Mangel an Möglichkeiten der<br />
Freizeitgestaltung und Erholung vorherrscht, so daß in Stadt- und<br />
Verdichtungsgebieten wie auch am Rand dieser Gebiete eine<br />
Überlastung von bestimmten, <strong>für</strong> die Erholung besonders geeigneten<br />
oder doch die Menschen anziehenden Schwerpunkten in der<br />
Landschaft zu erwarten ist. Darüber hinaus sind viele bäuerliche<br />
Kulturlandschaften infolge intensiver Landbewirtschaftung dadurch<br />
entwertet worden, daß sie von natürlichen Elementen, wie<br />
Flurgehölzen, Ufervegetation, Grünlandflächen sowie Feucht- und<br />
Wasserbiotopen, ausgeräumt worden sind. Damit sind die Voraussetzungen<br />
entfallen, die Aufgabe als Freizeit- und Erholungslandschaft<br />
zu erfüllen, zumal viele Menschen geordnete und gegliederte<br />
Kulturlandschaften sehr gerne aufsuchen, worunter auch „Ferien<br />
auf dem Bauernhof" fallen.<br />
Diese Entwicklung mußte dazu führen, daß zunehmend auch besonders<br />
reizvolle Landschaften, so auch empfindliche Ökosysteme<br />
mit gefährdeten Tier- und Pflanzenarten aufgesucht und belastet<br />
werden. Die Ausstattung dieser Gebiete mit natürlichen Elementen<br />
läßt auch eine Empfindlichkeit gegenüber Belastungen erwarten.<br />
Nach Angaben der Unieren Landschaftsbehörde von<br />
Nordrhein-Westfalen sind 43 % der Naturschutzgebiete durch Erholungsbetrieb<br />
gestört, 10 % aller Naturschutzgebiete längerfristig<br />
sogar in ihrem Bestand gefährdet. Etwa <strong>50</strong> % der Naturschutzgebiete<br />
der Bundesrepublik Deutschland werden durch Freizeitaktivitäten<br />
in Anspruch genommen, vor allem, wenn sie in der Nähe von<br />
Verdichtungsräumen und Erholungsschwerpunkten liegen und<br />
wenn sie offene, also <strong>für</strong> die Erholung und Freizeit nutzbare Gewässer<br />
aufweisen.<br />
Wie aufgrund einer Forschungsarbeit der Bundesforschungsanstalt<br />
<strong>für</strong> Naturschutz und Landschaftsökologie festgestellt wird, liegen<br />
auch von den Wanderparkplätzen 25 % in Schutzgebieten und<br />
51 % sind benachbart oder liegen bis zu <strong>50</strong>0 m entfernt. Durch<br />
Pflanzenentnahme werden 43 % der Naturschutzgebiete gering<br />
belastet und 45 % erheblich geschädigt.<br />
Die Belastungen von Natur und Landschaft durch Erholungs- und<br />
Freizeitverkehr sind vielfältig. Im einzelnen können es sein:<br />
- Störung und Zerstörung natürlicher Uferbereiche mit ihrer<br />
Pflanzen- und Tierwelt<br />
- Verunreinigung von Gewässern durch Motorboote, Abwässer<br />
und Badebetrieb<br />
- Hervorrufen von Trennungs- und lsolationseffekten <strong>für</strong> Tierpopulationen<br />
durch Wege- und Straßenführungen<br />
- Förderung von Bodenerosion, von Ufer- und Hangabbrüchen<br />
durch Überlastung empfindlicher Bereiche<br />
- Schädigung empfindlicher Biotope mit gefärdeten Pflanzenund<br />
Tierarten durch zu nahe Wegeführung<br />
- Beunruhigung von Schalenwild mit der Folge von Verbiß- und<br />
Schälschäden im Wald<br />
- Übermäßige Entnahme von Beeren, Pilzen, Blütenpflanzen,<br />
Schmetterlingen und Insekten<br />
- Beanspruchung von Feuchtgebieten und Trockenrasen mit ihrer<br />
empfindlichen Pflanzenwelt<br />
- Brandschäden in Wald und Heide durch Wegwerfen von Zigarettenkippen<br />
und Glasbehältern sowie Unachtsamkeit mit Feuerstellen.<br />
Der Deutsche <strong>Rat</strong> <strong>für</strong> <strong>Landespflege</strong> hat in den letzten Jahren gutachtliche<br />
Stellungnahmen zu deutschen Naturparken ausgearbeitet,<br />
so zu den Naturparken in Nordrhein-Westfalen, dem Naturpark<br />
Südeifel in Rheinland-Pfalz und dem Naturschutzpark Lüneburg er<br />
Heide. Wenn der Lüneburger Heide heute eine besondere Bedeutung<br />
zukommt, so deshalb, weil sie wohl das größte Calluna-Heidegebiet<br />
darstellt, das wir noch in Europa kennen. Aufgrund seiner<br />
Seltenheit, Eigenart und Schönheit, seiner schutzbedürftigen<br />
Pflanzen- und Tierwelt, seiner erdgeschichtlichen Erscheinungen<br />
und seiner Boden- und Baudenkmäler, seines Wertes <strong>für</strong> Wissenschaft,<br />
Landschaftsgeschichte und Kulturerlebnis und als Dokument<br />
einer historischen europäischen Kulturlandschaft hat das<br />
Gebiet internationale Bedeutung. Es wurde mit dem Europadiplom<br />
des Europa-<strong>Rat</strong>es ausgezeichnet Das Natur- und Landschaftserlebnis<br />
dieser schlichten, aber in ihrer Weite großartigen Landschaft<br />
hat seit der Jahrhundertwende in wachsendem Maße die Menschen<br />
der nahen Großstädte wie auch aus dem Ausland angezogen.<br />
Diese Entdeckung der Heidelandschaft, ihrer Pflanzen- und<br />
Tierwelt führte zu ihrer Unterschutzstellung. Im letzten Jahrzehnt<br />
sind die jährlichen Besucherzahlen stark angewachsen und haben<br />
bereits die Viermillionengrenze im Jahr überschritten. Da die Zeit<br />
der Heideblüte im August ein jahreszeitlicher Höhepunkt ist und<br />
darüber hinaus einige Bereiche des Parkes besonders frequentiert<br />
sind, ist zu erwarten, daß sich zwangsläufig Zielkonflik1e mit der Naturschutzfunktion<br />
des Gebietes ergeben.<br />
Ein Blick in den Werbeprospekt . DER TOUR" von 1988/89, der<br />
auch den geplanten .Center Parc Bispinger Heide" zum Inhalt hat,<br />
läßt die enge Beziehung der zu erwartenden Zielkonflikte mit der<br />
Naturschutzfunktion der Lüneburger Heide erkennen. Hier heißt<br />
es: „Dort wo die Lüneburger Heide am schönsten ist - in der weiten,<br />
stillen Heidelandschaft bei Bispingen - dort entsteht der neue<br />
Park von Center Parcs." Dieser Bezug des .subtropischen Urlaubsparadieses"<br />
mit seiner Größe von 83 ha und 611 Ferien-Bungalows,<br />
rd. 1000 Kfz-Stellplätzen und vielen Freizeiteinrichtungen <strong>für</strong> fast<br />
4 000 Gäste auf die Schönheit und Eigenart der Heidelandschaft<br />
fordert die potentielle Belastung des Naturschutzgebietes geradezu<br />
heraus und steht im Widerspruch zum Bundesnaturschutzgesetz.<br />
Hier heißt es in § 13, der die Naturschutzgebiete regelt:<br />
.(2) Alle Handlungen, die zu einer Zerstörung, Beschädigung<br />
oder Veränderung des Naturschutzgebietes oder seiner Bestandteile<br />
oder zu einer nachhaltigen Störung führen können,<br />
sind nach Maßgabe näherer Bestimmungen verboten".<br />
Auch den Regelungen, die im Baugesetzbuch enthalten sind, wür-<br />
680