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Scan (50 MB) - Deutscher Rat für Landespflege

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Hans Bibelriether<br />

Konflikte durch Erholung in Schutzgebieten<br />

- Beispiel Nationalpark Bayerischer Wald<br />

Der Nationalpark Bayerischer Wald wurde am 7. Oktober 1970 als<br />

erster deutscher Nationalpark eröffnet, ist 130 Quadratkilometer<br />

groß und zu 99 Prozent bewaldet. Die Zielsetzung lautet: Schutz<br />

natürlicher und naturnaher Waldlebensgemeinschaften und deren<br />

natürliche Weiterentwicklung. In Erfüllung dieser Ziele wurde<br />

schrittweise die Holznutzung in diesem wuchskräftigen Waldgebiet<br />

reduziert und die nicht mehr genutzte Fläche ausgedehnt. Von<br />

80 000 Kubikmeter Holzzuwachs pro Jahr werden nur mehr 17 000<br />

genutzt. Auf 8 000 von 13 000 Hektar werden keinerlei forstliche<br />

Eingriffe mehr durchgeführt. Auch die Jagd ist eingestellt. Damit ist<br />

der Kernbereich des Nationalparks das größte, einer natürlichen<br />

Entwicklung überlassene Waldgebiet in Mitteleuropa. Natürliche<br />

Entwicklung bedeutet zum Beispiel liegenlassen von Windwürfen<br />

oder die freie Gradation von Insektenarten. Die konsequente Verwirklichung<br />

dieser Naturschutzzielsetzung hat hohe internationale<br />

Anerkennung erfahren. Der Park ist mit dem .Europa-Diplom" der<br />

Kategorie Ades Europarates ausgezeichnet, die bisher in 15 Jahren<br />

nur an 10 Nationalparke in 8 europäischen Ländern verliehen<br />

wurde.<br />

Schäden und Belastungen durch den Tourismus:<br />

Bekanntlich verursachen Touristen direkte wie indirekte Schäden.<br />

Die wichtigsten direkten sind Tritt- und Trampelschäden, Lärm und<br />

Beunruhigung, Belastung durch Abfälle, Sammeln von Naturprodukten<br />

sowie optische Störungen. Alle diese Störungen gelten<br />

grundsätzlich auch <strong>für</strong> den Nationalpark Bayerischer Wald. Gewöhnlich<br />

gilt der Massentourismus als Hauptschadensfaktor. Dabei<br />

sind in ihren Wirkungen Schäden durch Einzeltouristen, Naturfreunde,<br />

Vogelfotografen, Skilangläufer etc. oftmals wesentlich gefährlicher.<br />

Für empfindliche Tierarten ist die Störung durch den Einzelnen,<br />

der sich abseits der Wege aufhält, wesentlich größer, als die<br />

Störung durch viele Besucher, die auf markierten Wegen bleiben.<br />

Nur die genannten direkten Belastungen kommen <strong>für</strong> den Nationalpark<br />

Bayerischer Wald in Frage. Die indirekten Folgen des Tourismus<br />

(Zersiedelung durch Ferienhäuser, Zweitwohnungen und<br />

andere lnfrastruktureinrichtungen) haben in diesem Schutzgebiet<br />

keine Bedeutung. Es wurden keine neuen Straßentrassen in das<br />

Gebiet gebaut, sondern schrittweise werden einige vorhandene<br />

Straßen <strong>für</strong> den Individualverkehr, zunächst <strong>für</strong> die Wintermonate,<br />

gesperrt.<br />

Zur Situation des Tourismus:<br />

Die Diskussion um den Nationalpark in den Jahren vor seiner Gründung<br />

sowie die konsequente Entwicklung des Schutzgebietes als<br />

ein Areal, das auch den Menschen zum Erleben ursprünglicher Natur<br />

dienen kann, hat dazu geführt, daß die Besucherzahlen sehr<br />

rasch anstiegen. Sie haben heute eine Gesamtzahl pro Jahr von etwa<br />

1,2 bis 1,5 Millionen erreicht. Der Nationalpark ist <strong>für</strong> den Tourismus<br />

im Bayerischen Wald als Attraktion und Werbeträger unverzichtbar<br />

geworden. Wissenschaftlich wurde nachgewiesen, daß<br />

durch die Besucher bzw. Feriengäste, die wegen des Nationalparks<br />

kommen, alljährlich ein zusätzlicher Umsatz von 25 bis 30 Millionen<br />

DM im Fremdenverkehr des Nationalpark- Landkreises Freyung-Grafenau<br />

erwirtschaftet wird. Von Kommunalpolitikern wird<br />

hervorgehoben, daß der Nationalpark mit Sicherheit außerdem indirekt<br />

mehrere Hundert Millionen DM Investitionen im touristischen<br />

Bereich bewirkt hat.<br />

Konfliktpotential Naturschutz und Tourismus:<br />

Zunächst sind einige grundsätzliche Anmerkungen erforderlich.<br />

Wie anderswo auch, so hat auch im Bayerischen Wald in den letzten<br />

Jahrzehnten der Tourismus stark zugenommen. Neue Bereiche<br />

wurden <strong>für</strong> den Tourismus erschlossen. Schon genutzte Gebiete<br />

wurden noch intensiver genutzt. Gleichzeitig hat der Landverbrauch<br />

zugenommen, eine Vielzahl von Straßen und neuen Siedlungen,<br />

damit verbunden Lärmzonen in der Landschaft, sind entstanden.<br />

Im Gegensatz zu anderen Landstrichen sind allerdings im<br />

Bayerischen Wald die landwirtschaftlich genutzten Gebiete noch<br />

nicht so modernisiert worden, daß sie sich nicht mehr als Erholungsräume<br />

eignen würden. Trotzdem sind die Konflikte programmiert.<br />

Auf der einen Seite braucht sowohl der Tourismus, das heißt<br />

der erholungsuchende Mensch intakte Lebensräume, auf der anderen<br />

Seite kann Naturschutz ebenfalls nur in intakten Gebieten<br />

erfolgreich arbeiten. Gleichzeitig werden aber sowohl die verfügbaren<br />

Erholungslandschaften wie die naturnahen Landschaftsteile<br />

immer kleiner. Die Konkurrenz hat sich in den letzten 20 Jahren<br />

verschärft.<br />

Der Konflikt Naturschutz und Tourismus ist lösbar:<br />

Die Konflikte können entschärft werden, ja sie können sogar fast<br />

völlig vermieden werden, wenn der Erholungsbetrieb nicht schrankenlos,<br />

sondern geordnet abläuft. So selbstverständlich wie im<br />

Straßenverkehr müssen Menschen auch in der Natur eine gewisse<br />

Ordnung einhalten. Im Nationalpark wurde dieses Problem durch<br />

direkte und indirekte Maßnahmen gelöst, ohne daß einerseits der<br />

Naturschutz zu kurz kommt, andererseits die Besucher sich unangemessen<br />

eingeschränkt fühlen. Strenger Naturschutz auf der einen<br />

Seite - 1,5 Millionen Besucher auf der anderen verlangen<br />

sorgfältige und tragfähige Lösungen. Sie wurden gefunden, wie<br />

heute jedermann, der den Nationalpark daraufhin untersucht, feststellen<br />

kann:<br />

- Die Masse der Besucher wurde durch ein gut durchdachtes, interessantes<br />

Angebot in den Randbereichen des Nationalparks<br />

dorthin gelenkt. Auf diese Welse wurden Kerngebiete des Nationaparks<br />

von einem erhöhten Besucherdruck entlastet.<br />

- Die Erholungs- und Bildungseinrichtungen wurden in optimaler<br />

Qualität ausgeführt. Das gilt ganz besonders <strong>für</strong> Wanderwege,<br />

die im Bayerischen Wald eine zentrale Funktion bei der Lenkung<br />

der Besucher und der Entlastung empfindlicher Bereiche<br />

einnehmen.<br />

- Durch Aufklärung der Besucher und Erziehung auf verschiedensten<br />

Ebenen und mit den verschiedensten Methoden wurde<br />

ein hoher Wissensstand bei den Nationalpark-Besuchern erzielt.<br />

Er hat dazu geführt, daß von vornherein viele belastende<br />

Verhaltensweisen unterbleiben.<br />

- Im Nationalpark wurden bestimmte Gebiete durch ganzjährige<br />

oder zeitlich befristete Wegegebote besonders gesichert. Sie<br />

sind zum Schutz von empfindlichen Biotopen unverzichtbar.<br />

Hier gibt es keine Kompromisse. Wer den Schutz gefährdeter<br />

Arten, und sei es nur aufTeilflächen, ernstzunehmen behauptet,<br />

muß sich zu Wegegeboten bekennen und sie auch durchsetzen.<br />

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