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Scan (50 MB) - Deutscher Rat für Landespflege

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Desgleichen ist zu beachten, daß die erholungsgeeigneten Flächen<br />

insbesondere in den Verdichtungsgebieten vielfältigen, anderen<br />

Nutzungskonkurrenzen unterliegen, wie z.B. <strong>für</strong> Wirtschaftsansiedlung,<br />

Verkehrsinfrastruktur, Abfallentsorgung aber auch Naturschutz<br />

usw.<br />

Bevor im folgenden näher die Bedarfsermittlung beschrieben wird,<br />

sind noch einige grundlegende Bemerkungen zum Begriff „Bedürfnis/Bedarf"<br />

zu machen:<br />

Die Psychologen verstehen unter einem Bedürfnis das Gefühl eines<br />

Mangels mit dem Streben, diesen Mangel zu beseitigen.<br />

Bedürfnisse sind nicht statisch und korrespondieren laufend mit<br />

anderen Bedürfnissen, von daher kann ein Bedürfnis durch verschiedene<br />

Angebote befriedigt werden (z.B. kann das Bedürfnis<br />

nach körperlicher Bewegung durch verschiedene Aktivitäten (Laufen,<br />

Radfahren, Schwimmen, Holzhacken) befriedigt werden. Das<br />

Bedürfnis nach körperlicher Bewegung kann zugleich korrespondieren<br />

mit dem Bedürfnis nach Selbstdarstellung; dann joggt man<br />

nicht nur, sondern trägt dazu auch einen gelben Jogginganzug eines<br />

bestimmten Herstellers.<br />

Bedarf Ist die konkrete Form, in der die Bedürfnisse geltend gemacht<br />

werden. Bedarfe beziehen sich auf konkrete Angebote und<br />

Gegenstände.<br />

Aus verschiedenen Gründen, die unten später noch zu erläutern<br />

sind, sollen Bedürfnisse und nicht Bedarfe zum Ausgangspunkt <strong>für</strong><br />

Planungen im Freizeitbereich gemacht werden.<br />

Bedürfnisse müssen jedoch abgegrenzt werden gegenüber Wünschen.<br />

Wünsche beruhen in der Regel nicht auf dem Gefühl eines<br />

Mangels und sind auch nicht unbedingt mit Handlungen verbunden.<br />

Wünsche erwachsen eher aus idealen, aus durch Vorbilder<br />

oder Werbung entwickelten Leitvorstellungen. Sie sind kein zuverlässiger<br />

Bedarfsindikator <strong>für</strong> die Planung.<br />

Die Befriedigung von Freizeit- und Sportinteressen ist ohne eine<br />

entsprechende Infrastruktur nicht denkbar. In der Vergangenheit<br />

wurde die Planung der Freizeit- und Sportinfrastruktur weitgehend<br />

über Richtwerte gesteuert. Hier sind die DOG-Richtlinien oder<br />

auch der „Goldene Plan" zu nennen.<br />

Der Vollzug der Richtwerte ist aber heute aus verschiedenen Gründen<br />

nicht mehr akzeptabel:<br />

- er führt zum Aufbau von Kapazitäten, die qualitativ und quantitativ<br />

nicht auf den aktuellen Bedarf hin abgestimmt sein können<br />

(z.B. Hallenbäder) und<br />

- er ist in der Regel nicht orientiert an ökologischen Zielsetzungen.<br />

Hier wird deutlich, warum der Bedürfnisbegriff dem Bedarfsbegriff<br />

vorzuziehen ist. Richtwerte unterstellen Bedarfe, sie unterstellen,<br />

daß sich bestimmte Bedürfnisse nur in bestimmter Form befriedigen<br />

lassen und blenden die Suche nach Alternativen aus.<br />

Freizeit- und Erholungsplanung ist Handeln in einem komplexen<br />

System. Lineare Verfahren, wie die Anwendung von Richtwerten,<br />

sind aufgrund dessen denkbar ungeeignet, dieser Komplexität gerecht<br />

zu werden.<br />

Wenn es also darum geht, Erholungsbedürfnisse zu ermitteln, wird<br />

der Einsatz sozialwissenschaftlicher Instrumente unumgänglich.<br />

Zur Analyse der Bedürfnisse bieten sich verschiedene Verfahren<br />

an:<br />

Expertenverfahren sind besonders wichtig zur ersten Exploration<br />

des Problemfeldes, weil sie in intensivem Kontakt zur Zielgruppe<br />

stehen. Dadurch ergibt sich ein differenziertes und intensives Bild<br />

der Bedürfnisse.<br />

Eine andere Möglichkeit der Bedürfnisermittlung ist die teilnehmende<br />

bzw. nicht teilnehmende Beobachtung. Sie dienen dazu, zu<br />

erfassen, was Personen z.B. in einem Erholungsgebiet wirklich tun,<br />

mit welchen Aktivitäten sie den Raum nutzen. Der Nachteil dieses<br />

Verfahrens ist, daß keine Motive erfaßt werden können.<br />

Durch diese Nachteile bedingt, werden Beobachtungsverfahren<br />

selten alleine zur Bedürfnisanalyse eingesetzt.<br />

Befragungen werden sehr häufig zur Bedürfnisanalyse durchgeführt<br />

in Form von standardisierten mündlichen Interviews, lntensivinterviews,<br />

schriftlicher Befragung, aktivierender Befragung.<br />

Beteiligungsverfahren sind ebenfalls geeignet, da sich die Zielgruppen<br />

selber umfassend äußern können.<br />

Je nach Zielvorgabe und Problemstellung lassen sich die verschiedenen<br />

Verfahren kombinieren.<br />

Die Bedürfnisermittlung ist also ein wichtiger Schritt <strong>für</strong> die Planung,<br />

aber auch hier ist vor einer linearen Umsetzung zu warnen,<br />

und zwar aus folgendem Grund:<br />

Das Handeln in komplexen Systemen ist dadurch gekennzeichnet,<br />

daß immer mehrere Ziele gleichzeitig berücksichtigt werden müssen.<br />

liegen mehrere gleichzeitig zu verfolgende Ziele vor, stellt sich die<br />

Aufgabe, die verschiedenartigen und vielleicht in Konkurrenz stehenden<br />

Ziele unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden<br />

Handlungsoptionen in Einklang zu bringen.<br />

Insofern deckt eine Bedürfnisanalyse die verschiedenen Interessenlagen<br />

auf, ist aber selber noch keine Handlungsanleitung.<br />

In bezug auf den Handlungsrahmen der kommunalen Gebietskörperschaften<br />

sollen hier die zentralen Argumente noch einmal kurz<br />

zusammengefaßt werden:<br />

- Freizeitpolitik der Gemeinden ist nicht nur Vollzug rechtlicher<br />

Normen, sondern Gesellschaftspolitik und verfolgt damit auch<br />

unterschiedliche Ziele.<br />

- Angesichts knapper Flächenressourcen konkurrieren immer<br />

auch unterschiedliche Nutzungs-, d. h. Verwertungsinteressen<br />

um bestimmte Flächen, insbesondere bei der landschaftsbezogenen<br />

Erholung.<br />

- Angesichts objektiver gesellschaftlicher Entwicklungen (Zeitordnung)<br />

und der Veränderung des Freizeitverhaltens differenzieren<br />

sich die Freizeitbedürfnisse zunehmend.<br />

- Freizeitpolitik und Freizeitplanung ist daher Handeln in komplexen<br />

Systemen.<br />

Daraus lassen sich folgende Schlußfolgerungen ziehen:<br />

Die Bedürfnisanalyse ist ein bedeutsamer Schritt bei der Etablierung<br />

einer Freizeitpolitik. Aber es kann heute nicht mehr allein um<br />

die Bedürfnisse gehen. Vielmehr müssen die Gemeinden ihre prozessuale<br />

Kompetenz sowohl in der Politik als auch in der Verwaltung<br />

im Bereich der Erholungs- und Freizeitplanung umfassend<br />

verbessern. Erholungs- und Freizeitplanung ist nicht als lineare<br />

Steuerung und Umsetzung der Bedürfnisse zu begreifen, sondern<br />

als dialogisch- konsensualer Prozeß.<br />

Dazu sind folgende Schritte notwendig:<br />

- Die Gemeinden müssen prüfen, welchen konkreten Stellenwert<br />

die Freizeit- und Erholungspolitik im Rahmen der kommunalen<br />

Aufgaben und Ziele einnimmt.<br />

- Wenn die Bedeutung der Erholungs- und Freizeitpolitik <strong>für</strong> die<br />

Gemeinde geklärt ist, ist eine Bestandsaufnahme der kommunalen<br />

Infrastruktur und der Angebote in diesem Bereich vorzunehmen.<br />

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