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Scan (50 MB) - Deutscher Rat für Landespflege

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Mario F. Broggi<br />

Konflikte durch Erholung -<br />

ein Werkstattbericht aus den Alpen<br />

Der Alpenbogen ist mit einer Länge von rund 1 200 km, einer Breitenausdehnung<br />

von ca. 200 km und einer Oberfläche von rund<br />

190 000 km 2 das größte Berggebiet Europas. Sieben Staaten -<br />

Frankreich, Schweiz, Italien, Liechtenstein, Österreich, Bundesrepublik<br />

Deutschland und Jugoslawien - haben recht unterschiedliche<br />

Anteile an den Alpen. Dieser Alpenraum ist Lebens- und Wirtschaftsraum<br />

von rund sieben Millionen Menschen, Erholungsraum<br />

<strong>für</strong> 60 Millionen Tages- und Wochenendausflügler sowie 40 Millionen<br />

Feriengäste, aber infolge seiner West-Ostausdehnung auch<br />

bedeutendes Verkehrshindernis, zu dessen Überwindung fünf<br />

wichtige Auto-Tunnels und rund 400 Höhenstraßen und Pässe als<br />

Transitmöglichkeiten erbaut wurden.<br />

Einleitung<br />

Die Alpen nehmen <strong>für</strong> die einzelnen Staaten meist eine Grenzlage<br />

ein. Paris, Rom oder Bonn liegen als Hauptstädte weit weg, was die<br />

Identifikation der Entscheidungsträger mit den Problemen der alpinen<br />

Bevölkerung nicht unbedingt erhöht. Berggebiete sind im Gegensatz<br />

zum Alpenvorland von Natur aus in den Möglichkeiten einer<br />

intensiveren Nutzung eingeschränkt. Andererseits wird ihnen<br />

aber eine komplementäre Funktion, etwa im Energiebereich und<br />

der Erholung, zu den Ballungsräumen zugeordnet. So liefern die<br />

Schweizer Alpen rund zwei Drittel der durch Wasserkraft erzeugten<br />

Elektrizität und können mit ihren 1 800 Skiliften und Sesselbahnen<br />

in einer Stunde 1,2 Milionen Erholungsuchende befördern. Die<br />

Alpen-Ökosysteme sind aber, bedingt durch die Höhenlage und<br />

das rauhe Klima weitaus empfindlicher als die meisten anderen.<br />

Die den Alpen in recht kurzer Z eit zugedachten intensiveren Nutzungsformen<br />

werden so immer problematischer. IUCN, die lnt.<br />

Union <strong>für</strong> die Erhaltung der Natur und der natürlichen Hilfsquellen,<br />

hat kürzlich die Alpen als das gefährdeteste Gebirgs-Ökosystem<br />

der Erde bezeichnet. All das, was wir sonst bereits schon als Umweltprobleme<br />

kennen, verschärft sich in diesem zerbrechlichen<br />

Ökosystem und fällt letztlich auf uns alle zurück. Die „Alpen - ein<br />

Alptraum" und „Stopp der Alpenapokalypse" sind Feststellungen<br />

und Mahnrufe immer größerer Kreise. Zu diesen Kräften, die sich<br />

<strong>für</strong> die Alpen engagieren, gehört auch die CIPRA*), der Zusammenschluß<br />

der privaten nationalen Schutzverbände im Alpenbogen<br />

von Nizza bis Ljubljana. Das erzeugte Schrifttum über die Alpenbedrohung<br />

ist bereits Legion, vieles darf darum an Kenntnissen<br />

vorausgesetzt werden. Dieser Beitrag möchte deshalb weniger<br />

Bekanntes wiederholen, als vielmehr auf neuere Entwicklungen<br />

aufmerksam machen, stellt also gewissermaßen einen nicht<br />

abgerundeten Werkstattbericht zum Thema Erholung im Alpenraum<br />

dar.<br />

Mountain-Bike und Gleitschirmsegeln -<br />

Belastung durch neue Modesportarten?<br />

Zwei neue Sportarten mit einigen Gemeinsamkeiten eröffnen eine<br />

neue Dimension des Alpinismus, glaubt man den Werbeankündigungen.<br />

Unscheinbare Berge sollen so zum Abenteuerwerden. Mit<br />

dem Bergvelo via Seilbahn wird zum Gipfelsturm angesetzt. Kaum<br />

eine Bergspitze, die nicht mit dem Mountain-Bike zu erobern wäre.<br />

Allein in der Schweiz wurden 1986 20 000 der bulligen Stahlrösser<br />

verkauft. 4 000 Paraglider stürmen in Österreich bereits bergab, in<br />

Bayern sollen es 2 000 sein. Sind diese Sportarten u. a. „Aufreisser"<br />

<strong>für</strong> den seit Jahren eher flauen Altpentourismus? Die Meinungen<br />

sind auch bei den Natur- und Umweltvereinigungen noch kontravers.<br />

Will man hier wieder einer kleinen Gruppe ihr Freizeitvergnügen<br />

vermiesen? Bereits wird alpines Gleitschirmsegeln in zahlreichen<br />

Schulen gelehrt, <strong>für</strong> die buntfarbenen Matratzenflieger werden<br />

Vereine gegründet, genau gleich wie auch <strong>für</strong> die Mountain Biker.<br />

Auffällig ist das Auftauchen dieser Sportarten in Räumen, wo<br />

bisher eher Ruhe herrschte. Ganz offensichtlich verkürzen sich mit<br />

beiden Geräten die Wegdistanzen. Wenn sich Wege und damit Zeiten<br />

verkürzen, so bleiben aber faktische Naturruhezonen dies<br />

kaum mehr. Ein Netz von Ruhegebieten braucht aberdie Natur in all<br />

ihren Gliedern existentiell. Sind diese Modesportarten - der Freizeitindustrie<br />

und der Phantasie sind bekanntlich keine Grenzen<br />

gesetzt - nicht jede <strong>für</strong> sich wieder ein Beitrag zur Verkleinerung<br />

dieser Ruhegebiete?<br />

In der Schweiz wünscht der Verband der Seilbahnunternehmungen<br />

anstelle von Verboten die Ausweisung geeigneter Gebiete <strong>für</strong><br />

diese stark aufkommenden Sportarten, er erwähnt dabei auch das<br />

sog. Schneesurfen als weitere Alternativsportart. Bereits werden<br />

im Kanton Graubünden <strong>für</strong> Schneekanonen „Beschneiungszonen"<br />

ausgewiesen. Also Zone um Zone mehr an Rummel? Wer<br />

setzt sich im übrigen mit gleicher Vehemenz <strong>für</strong> alpine Naturruhezonen<br />

ein?<br />

Schnee nach Maß aus der Kanone oder ist alles erlaubt,<br />

was machbar ist?<br />

Der Sport ist ein bedeutender wirtschaftlicher und politischer<br />

Machtfaktor in unserer Gesellschaft. Spitzensport mit seinen Leistungsträgern<br />

wird zum Aushängeschild der Nationen. Der Sport<br />

ist einerseits auf eine annehmbare Umweltqualität angewiesen, die<br />

er seinerseits häufig beeinflußt. Er muß hinnehmen, daß seine Ansprüche<br />

- insbesondere im Freiraum - mit anderen berechtigten<br />

Nutzungsansprüchen konkurrieren. Und viele dieser potentiellen<br />

Nutzer können ebenso auf gesellschaftlich anerkannte Ziele verweisen.<br />

Beim alpinen Skisport mit der großen Nachfrage nach lnfrastruktureinrichtungen<br />

(Bahnen, Pistenbau), stoßen wir zusehends an<br />

Grenzen der ökologischen Belastbarkeit. Pisten zählen heute nicht<br />

mehr zum natürlichen Angebot, sie werden künstlich hergerichtet.<br />

Pistenmaschinen walzen den Schnee dauernd flach, wobei dem<br />

darunter liegenden Boden die Sauerstoffversorgung erschwert<br />

wird. Dadurch setzt die Vegetationszeit auch später ein. Hindernisse<br />

werden aus Sicherheitsgründen wegplaniert, wobei bei derarti-<br />

•) Die Internationale Alpenschutzkommission CIPRA-die Kurzform ist ihrem<br />

französischen Namen entliehen - wurde 1952 aus der lnt. Naturschutzunion<br />

(IUCN) heraus als eigenständige Organisation in Rottach­<br />

Egern/Bundesrepublik Deutschland gegründet. Die CIPRA ist ein Zusammenschluß<br />

von Organisationen und Institutionen, die sich in den Alpenländern<br />

mit Fragen des Natur- und Landschaftsschutzes, der Landschaftspflege<br />

und der Raumordnung beschäftigen.<br />

Die CIPRA ist in den sieben Alpenstaaten - Bundesrepublik Deutschland,<br />

Österreich, Schweiz, Liechtenstein, Italien, Frankreich, Jugoslawien<br />

- durch die privaten Natur- und Umweltschutzverbände vertreten.<br />

Die CIPRA-Zentralgeschäftsstelle befindet sich in Heiligkreuz 52,<br />

FL-9490 Vaduz, also im Fürstentum Liechtenstein.<br />

Die lnt. Alpenschutzkommission gibt drei Publikationsreihen heraus: Die<br />

CIPRA-Schriften, worin Vorträge und Berichte der Jahresfachtagungen<br />

erscheinen, die Kleinen Schriften, wo auf aktuelle Themen eingetreten<br />

wird sowie den CIPRA-INFO, das jährlich drei- bis viermal erscheinende<br />

Bulletin. Das CIPRA-Schrifttum erscheint in deutscher und französischer<br />

Sprache.<br />

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