Scan (50 MB) - Deutscher Rat für Landespflege
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ger Form der Gefahrlosigkeit zu hinterfragen ist, ob diese nicht<br />
durch größere Abfahrts-Geschwindigkeiten wieder aufgehoben<br />
wird. Wir erliegen offenbar auch auf diesem Gebiet einem gewissen<br />
„Zwang der Machbarkeit'', wobei sich die Bedürfnisse nach<br />
dem Grad der Technologie ausrichten.<br />
Ein überladener Skiweltcup-Rennkalender zwingt heute die Veranstalter,<br />
in Schneemangelzeiten die Pisten mit chemischen Mitteln<br />
zu präparieren und führt seit einigen Jahren zum vermehrten<br />
Einsatz von künstlicher Schnee-Ergänzung. Nach zwei schneearmen<br />
Frühwintern in den Jahren 1984 und 1985 werden auch über<br />
den Spitzensport hinaus zunehmend Schnee-Erzeugungsanlagen<br />
eingesetzt, um so allfällige Umsatzeinbußen zu verhindern.<br />
Im Alpenbogen sollen derzeit schon mehr als 1<strong>50</strong> Anlagen in Betrieb<br />
sein. Man bezweckt damit:<br />
- eine Verlängerung der Skisaison,<br />
- eine verbesserte Schneeunterlage zu Beginn der Saison sowie<br />
an kritischen Stellen (Grundbeschneiung) und<br />
- eine gesicherte Talfahrt bis zu den Autoparkplätzen.<br />
Man erreicht damit aber auch:<br />
- einen Mehrverbrauch an Energie,<br />
- einen großen Wasserbedarf in Mangelzeiten, was zum Austrocknen<br />
von Bächen führen kann,<br />
- allfällige nächtliche Lärmimmissionen, u. a. auch eine Störung<br />
der Tierwelt,<br />
- noch wenig bekannte Auswirkungen auf den Boden und die Vegetation,<br />
- eine Wettbewerbsverzerrung zwischen den größeren und kleineren<br />
Skistationen und<br />
- einen weiteren Antrieb der Wachstumsspirale im Fremdenverkehr.<br />
Bis heute bestehen kaum verbindliche Regelungen <strong>für</strong> den Einsatz<br />
von Schnee-Erzeugungsanlagen. Die Grundsätze des Schweizerischen<br />
Verbandes der Seilbahnunternehmungen zum Einsatz von<br />
Schneeanlagen, verabschiedet am 11. September 1986, sind wie<br />
die Sünder Richtlinien des Departments des Innern und der Volkswirtschaft<br />
vom Mai 1986, bereits wieder Makulatur. Beide lehnten<br />
eine Beschneiung ganzer Pisten ab, die Bündner Richtlinie findet<br />
sich unter dem Druck des Faktischen . folgerichtig" in Revision.<br />
Jetzt soll jede Region eine größere Schnee- Erzeugungsanlage<br />
zugesprochen erhalten. Auch diese Zuweisung dürfte bereits<br />
durch einige Gemeinde-Abstimmungen „pro Schneekanonen"<br />
wieder wackeln.<br />
Die CIPRA sah durchaus eine kleine Nische des Einsatzes von<br />
Schneekanonen, z. B. <strong>für</strong> stark beanspruchte Engpässe oder <strong>für</strong><br />
die Beseitigung von Gefahrenquellen. Dennoch lehnte sie in Kenntnis,<br />
daß derartige Fälle schwer eingrenzbar sind, bzw. die Sache<br />
dann eine Eigendynamik erfährt, den Schneekanoneneinsatz bereits<br />
im Winter 1985/86 grundsätzlich ab. Der Zug scheint zwischenzeitlich<br />
im Alpenbogen <strong>für</strong> einen zahlreichen, ja maßlosen<br />
Einsatz von Schnee-Erzeugungsanlagen auch tatsächlich abgefahren.<br />
Im französischen Val Thorens garantieren neun computergesteuerte<br />
Schneekanonen den Herbstskilauf, Sestrieres im Südwesten<br />
von Turin hat mit 4<strong>50</strong> eingerichteten Schneekanonen (Kostenpunkt<br />
20 Millionen sFr.) mit einer gigantischen Publizitätskampagene<br />
.den Schnee erfunden" (A Sestrieres, on a invente la neige), in Lech<br />
am Arlberg wird derzeit die beschneite Fläche von 33 auf 70 ha verdoppelt.<br />
Gibt es da schon aus Konkurrenzgründen noch Zurückhaltung<br />
bei den Skistationen?<br />
Schneekanonen sind nach der Meinung der CIPRA ein weiterer<br />
Versuch, die Umwelt den übertriebenen Ansprüchen des Menschen<br />
unterzuordnen, statt die Ansprüche des Menschen der Um-<br />
weit anzupassen. Die Ablehnung ist deshalb grundsätzlicher Art<br />
und will sich weniger auf einzelne Daten abstützen. Auf das Gesamtsystem<br />
wirkt sich der Einsatz von Schneekanonen letztlich<br />
belastend aus, weil mehr Skifahrer mehr Verkehr bringen, höhere<br />
Transportkapazitäten bei Bahnen und Liften erfordern, was breitere<br />
und noch mehr planierte Pisten nach sich zieht. Aus diesem Teufelskreis<br />
kann man sich nicht mit technischen Einzelmaßnahmen<br />
befreien. Es gilt vielmehr, die von der Natur gesetzten Grenzen zu<br />
respektieren und auf den Skisport als Ganzjahressport zu verzichten.<br />
Zitieren wir hierzu den selbstkritischen Direktor des Kur- und<br />
Verkehrsvereins von Davos, Bruno Gerber: .Mit den Schneekanonen<br />
wird der Tourismus einmal mehr ein Eigengoal schießen. Jeder<br />
braucht das Schlagwort vom ,qualitativen Tourismus' und handelt<br />
unter dem Druck kurzfristiger Sachzwänge doch nicht danach.<br />
Schneekanonen haben etwas mit der Moral im Tourismus zu tun.<br />
Wenn wir heute nicht die Größe haben, uns zu beschränken, finde<br />
ich das fatal." (im: Zürcher Tagesanzeiger v. 21.3.88).<br />
Immer noch Heliskiing im Alpenraum!<br />
Um die letzten Reservate der großen Stille im Alpenbogen muß<br />
man sich Sorge machen. Heiikopter-Skiing, die große Freiheit auf<br />
„Brettln", die Steigerungsform des „normalen Tiefschneefahrens",<br />
ist offenbar immer noch .in". So wirkt etwa im Aostatal eine Heliskibasis<br />
nach kanadischem Vorbild. qort sind .Heliguides" ständig<br />
bemüht . die besten Hänge und den besten Schnee" auszusuchen,<br />
dies u. a. im fast menschenleeren, wildromantischen Bergkessel<br />
Valgrisenche.<br />
Hier der Orginalton einer Reportage der Zürcher „Weltwoche" vom<br />
4. 12. 1986:<br />
„Der Hubschrauber kommt wieder angedüst und setzt den zweiten<br />
Teil unserer Gruppe auf dem 3 400 Meter hohen Chäteau Blanc ab.<br />
1 900 Höhenmeter Gleiten im stiebenden Pulverschnee stehen<br />
uns nun bevor. Danilo, unser Skiführer, stößt einen Jauchzer aus<br />
und schwingt sich locker in die Tiefe. Wir tun's ihm gleich. Die Fahrt<br />
durch die unberührte Schneelandschaft wird zum minutenlangen<br />
Rausch. Nun erfahre ich die sogenannte Tiefschneedroge am eigenen<br />
Leib, an der eigenen Seele. Und es ist ein ungemein befreiendes<br />
und beglückendes Gefühl, mit eleganter Leichtigkeit durch<br />
diese gewaltige und schier unendliche Naturwelt zu kurven, in rythmischen<br />
Schwüngen, nur den eigenen Atem hörend."<br />
Sinnberaubendes oder sinnberaubtes Tun? Freizeitkolonialismus<br />
in Reinkultur?<br />
Heliskiing wird nach einer CIPRA-Umfrage 1987 in der Bundesrepublik<br />
Deutschland, im Fürstentum Liechtenstein und in Frankreich<br />
kaum oder gar nicht betrieben. In Österreich konzentriert es sich<br />
auf das Arlberggebiet in den Bundesländern Tirol und Vorarlberg.<br />
In der Schweiz sind gemäß Vollzugsverordnung des Luftfahrtgesetzes<br />
48 Außenlandeplätze (!) über 1100 m Meereshöhe inkl.<br />
Flugplätze zulässig. 1986 wurden beispielsweise über 17 000 Skifahrer<br />
von Helis transportiert. In einer Parlamentsmotion wurde ein<br />
generelles Verbot beantragt, welches im März 1982 nur knapp<br />
scheiterte. Heliskiing und Fremdenverkehr erweisen sich zunehmend<br />
auch als räumliche Konkurrenten. Allein im Oberengadin<br />
wurden 1987 fünf Gebirgslandeplätze aufgehoben.<br />
Erstaunlich ist die Entwicklung in Frankreich. Mit einer Direktive der<br />
französischen Regierung wurden touristische Vergnügungsflüge<br />
in den Alpen bereits 1977 untersagt und diese Aussage ins Berggesetz<br />
1985 übernommen. Beklagt werden nun von den französischen<br />
Umweltverbänden Mißbräuche im Grenzgebiet des Mont<br />
Blanc. Dort lassen sich Skitouristen auf der italienischen Seite absetzen<br />
und fahren zu den französischen Skistationen ab. Bereits<br />
wird von namhaften französischen Regional-Politikern eine Aufhebung<br />
des Verbotes - aus Angst vor der Konkurrenz ausländischer<br />
Skistationen - verlangt.<br />
Dieses Beispiel, wie auch der Betrieb der Schneekanonen, zeigt,<br />
daß eine alpenweite Absprache und ein konzertiertes Vorgehen<br />
unabdingbar ist.<br />
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