Scan (50 MB) - Deutscher Rat für Landespflege
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werden, je nach ökologischer Schutzwürdigkeit auch außerhalb<br />
ausgewiesener Schutzgebiete. Das würde die Erholungsmöglichkeiten<br />
insgesamt nicht nennenswert beeinträchtigen, da es sich<br />
um relativ wenige Räume handelt, die einem strikten Betretungsverbot<br />
unterworfen werden müßten. Denn auf das Instrument der<br />
Taburäume sollte nur als letzter Ausweg zurückgegriffen werden.<br />
Für problematisch halte ich die von Kreisen der Jägerschaft und<br />
der Waldbesitzer erhobene Forderung nach starken Beschränkungen<br />
des Betretungsrechts von Wäldern. Für diese Forderungen<br />
werden ökologische Gründe genannt, die jedoch wenig stichhaltig<br />
sind. Rotwild und Rehwild werden hier als Leittierarten betrachtet,<br />
die des Schutzes vor Beunruhigung bedürfen. In diesem Zusammenhang<br />
muß man wissen, daß Rehe und Hirsche keineswegs von<br />
Natur aus scheu sind, sondern erst durch Jagd scheu gemacht<br />
worden sind. Ihre Fluchtdistanz würde drastisch sinken, wenn sie<br />
nicht mehr bejagt würden. Die notwendige Reduktion von Wild zur<br />
Verhinderung des zu starken Verbisses von Jungwuchs läßt sich<br />
auch mit Methoden erreichen, durch die das Wild nicht scheu gemacht<br />
wird. Vor diesem Hintergrund erscheinen die Krokodilstränen<br />
der Jagdsportler wenig glaubwürdig, die darüber vergossen<br />
werden, daß Rehe und Hirsche wegen ihrer großen Fluchtdistanzen<br />
geschützt werden müssen vor dem Waldspaziergänger, der<br />
auch mal die Wege verläßt.<br />
Die Ausweisung von sog. „Wildschutzgebieten" und die Schilder,<br />
die gerade in Jagdrevieren den Erholungsuchenden auffordern,<br />
die Wege nicht zu verlassen, müssen von seiten des Naturschutzes<br />
mit Skepsis betrachtet werden. Das Betretungsverbot <strong>für</strong> Erholungsuchende<br />
wird hier ohne fundierte ökologische Begründung<br />
vorgenommen. Damit wird dem sehr wichtigen Instrument des Totalschutzes<br />
seine Glaubwürdigkeit und letztlich auch seine Durchsetzbarkeit<br />
in wirklich begründeten Fällen entzogen.<br />
Nach diesem kleinen Exkurs über die Gefahr des Mißbrauchs von<br />
Taburäumen durch Jagdsportinteressen sei weiter eingegangen<br />
auf die Möglichkeit, Erholung in derfreien Landschaft ohne erhebliche<br />
Konflikte mit den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege<br />
zu finden. Es geht um die Bewertung der Beanspruchung<br />
von Landschaftsteilen unterschiedlicher Schutzwürdigkeit<br />
und Belastbarkeit im Hinblick auf unterschiedliche Formen der<br />
Freizeitnutzung.<br />
5.2 Ku/issenräume<br />
Der Ansturm auf naturnahe Räume wird in Zukunft noch zunehmen.<br />
Das ist angesichts der Umweltbelastungen aus den städtischen<br />
Quellgebieten und angesichts steigender Sehnsucht nach<br />
Aufenthalt und Bewegung in intakter, vielfältiger, möglichst naturnaher<br />
Landschaft nicht verwunderlich. Was tun, damit die Natur<br />
nicht .kaputtgeliebt" wird?<br />
Zwar sucht der Erholungsuchende das, was er Natur nennt, jedoch<br />
ist sein Bedürfnis nach .Natur" vielfach schon erfüllt, wenn er Ruhe<br />
im Grünen, frische Luft, eine vielfältig strukturierte Kulturlandschaft<br />
mit Wiesen und Kühen, Wälder mit nicht gar zu eintöniger Bestokkung,<br />
gewundene Bäche und ähnliche ansprechende Landschaftselemente<br />
vorfindet. Solche attraktiven, aus ökologischer<br />
Sicht jedoch wenig sensiblen (durch Erholungsuchende belastbare)<br />
Bereiche nenne ich .Kulissenräume". Hier lassen sich an bestimmten,<br />
ökologisch und landschaftsästhetisch unbedenklichen<br />
Stellen sogar Konzentrationsbereiche der Freizeitnutzung anlegen<br />
mit Infrastruktur und Besuchermassierung.<br />
Das Problem liegt darin, daß in unserer durch Flurbereinigung,<br />
Forstmonokultur, Wasserregulierung und ähnliche Eingriffe monoton<br />
gemachten Kulturlandschaft die attraktiven und zugleich belastbaren<br />
Erholungslandschaften zu kleinflächig geworden sind.<br />
Zunehmend werden die sensiblen Teile von Naturschutzgebieten<br />
aufgesucht und entwertet, weil es zu wenig attraktive Alternativen<br />
gibt Eine Chance liegt in der neuen Tendenz der Stillegung und der<br />
Extensivierung landschaftlicher Nutzflächen, um die drückende<br />
Überproduktion zu drosseln. Allerdings darf der Ort der Stillegung<br />
und Extensivierung nicht allein nach betriebswirtschaftlichen Kriterien<br />
gewählt werden, sondern muß geplant nach Gesichtspunkten<br />
der <strong>Landespflege</strong> erfolgen, wenn die Chance nicht vertan werden<br />
soll. Durch Rückbau, Renaturierung und Extensivierung läßt<br />
sich das Angebot an attraktiven und belastbaren Erholungsräumen<br />
gewaltig steigern.<br />
5.3 Naturerholungsgebiete<br />
Zwischen den Kategorien ,Jaburäume" und „Kulissenräume" liegt<br />
die Kategorie der „Naturerholungsgebiete" (NEG). Hiermit sind solche<br />
naturnahen Räume gemeint, die in gewissem Maße ökologisch<br />
empfindlich sind (seien es sensible Pflanzengesellschaften oder<br />
Tierpopulationen). Hier genügt es, Freizeitinfrastruktur und massenhaften<br />
Besucheransturm fernzuhalten, d. h. lenkend einzugreifen,<br />
um eine Übernutzung durch Freizeitaktivitäten zu verhindern.<br />
Mit planerischen Mitteln (z.B. Parkplatz- und Wegeangebot) können<br />
in den meisten Fällen Besuchermassierungen an ungeeigneten<br />
Stellen vermieden werden. Je weiter die Autoabstellplätze von<br />
den sensiblen Bereichen entfernt liegen, desto geringer wird dort<br />
die Besucherdichte sein. Aber auch Besucher in geringer Dichte<br />
können Störungen verursachen, wenn sie sich über die gesamte<br />
Fläche verteilen und den Tieren keine Rückzugsmöglichkeiten<br />
mehr lassen. Hier kann das Angebot von (ungeteerten) Wegen und<br />
Pfaden den nötigen Lenkungseffekt herbeiführen. Die meisten Erholungsuchenden<br />
bleiben ohnehin auf den Wegen, vor allem dann,<br />
wenn natürliche Hindernisse wie sumpfiges Gelände oder dichtes<br />
Gesträuch das Verlassen der Wege und Pfade beschwerlich machen.<br />
Die wenigen Erholungsuchenden, die trotzdem die Wege<br />
verlassen, richten in Naturerholungsgebieten keinen Schaden an,<br />
da diese Kategorie einen gewissen Grad an Störungen verträgt.<br />
6 Schlußbemerkung<br />
Mit meinen Ausführungen zur Bewertung von Freizeitnutzungen in<br />
der Landschaft möchte ich sowohl auf die Lösungsmöglichkeiten<br />
von teilweise gravierenden Konflikten hinweisen als auch da<strong>für</strong> plädieren,<br />
die Chancen eines gemeinsamen Vorgehens von <strong>Landespflege</strong>rn<br />
und vorausschauenden, umweltbewußten Vertretern des<br />
Tourismus und des Sports zu ergreifen. Ich will damit nicht Zuckerguß<br />
über schwelende Konflikte gießen, sondern meine, daß nur im<br />
offenen, um gegenseitiges Verstehen bemühten Gespräch herauszufindenist,<br />
wo im konkreten Einzelfall die Flexibilitäten in den<br />
jeweils vertretenen Standpunkten liegen und wo es um Kernansprüche<br />
geht, die keinen fachlich vertretbaren Kompromiß mehr<br />
erlauben.<br />
Literatur:<br />
ABN (Arbeitsgemeinschaft beruflicher und ehrenamtlicher Naturschutz):<br />
Sport und Naturschutz im Konflikt Jahrbuch <strong>für</strong> Naturschutz und Landschaftspflege<br />
Bd. 38, Bonn 1986<br />
AGRICOLA, S.: Freizeit und Planung heute - Auswirkungen der gesellschaftlichen,<br />
kulturellen und ökonomischen Entwicklung auf Freizeitpolitik<br />
und -planung. Deutsche Gesellschaft <strong>für</strong> Freizeit (Hrsg.), vervlelf. Manuskr.<br />
Erkrath 1988<br />
KAUl.E, G./M. SCHOBER: Ausgleichbarkeit von Eingriffen in Natur und<br />
Landschaft. Angewandte Wissenschaft, H. 314, Schriftenreihe des Bundeslandwirtschaftsministers,<br />
Bonn 1986<br />
KLEMM, K.: Sanfter Tourismus - ein regionalpolitisches Instrument? Vortrag<br />
auf der 1. Sitzung des Arbeitskreises .Freizeit-und Fremdenverkehrsgeographie",<br />
Berlin 1986<br />
REICHHOLF, J. / H. J. SCHEMEL: Ruhige Erholung und Segelsport - ökologische<br />
Auswirkungen im Vergleich. <strong>Deutscher</strong> Segler-Verband (Hrsg.),<br />
Hamburg 1988<br />
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