Susanne Kosiek - Universität Osnabrück
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Eine Missachtung von Instruktionen, die in einer Untersuchung von Milner (1964)<br />
spezifisch für Patienten mit frontalen Schädigungen ist, erklärt die Autorin im<br />
Zusammenhang mit weiteren Befunden durch Störungen in einer speziellen<br />
Modulatorfunktion, die den Wechsel des Antwortverhaltens in Folge sich verändernder<br />
Signale des äußeren Umfeldes reguliert. Da im Verlauf mehrerer Durchgänge eine<br />
Abnahme der anfänglichen Regelverstöße auffällt, nimmt die Autorin an, dass es sich<br />
nicht um ein kontinuierliches Phänomen handelt. Die Missachtung der Regeln könnte<br />
auch Ausdruck einer zeitweisen Überforderung oder erhöhter Anspannung sein.<br />
Eine ähnliche Sichtweise verfolgen Karnath et al. (1991). Sie sehen Regelverstöße und die<br />
Nicht-Beachtung von Kontextinformationen nicht generell als Defizit nach frontalen<br />
Hirnschäden, sondern als normales Verhalten, das vorübergehend dann auftritt, wenn es<br />
durch neue Anforderungen und Situationen (non-routine) zu einer Überbelastung kommt.<br />
Zu diesem Schluss führt sie der Befund, dass gesunde und hirngeschädigte Personen im<br />
ersten Irrgarten-Versuch mit gleicher Häufigkeit Regelverstöße begehen. Die<br />
Überbelastung scheint anfangs in allen Gruppen vorzuliegen, nimmt aber in weiteren<br />
Versuchen in der gesunden Gruppe schneller ab als in der Gruppe der Hirngeschädigten,<br />
die insgesamt zwar mehr Durchgänge benötigen, das Labyrinth am Ende jedoch auch<br />
fehlerfrei lösen. Der Umgang mit Nicht-Routine-Situationen bei Patienten mit frontalen<br />
Läsionen ist diesen Ergebnissen nach nicht generell gestört, sie lernen nur weniger schnell<br />
aus gesammelten Informationen und behalten daher regelwidriges Verhalten länger bei<br />
als Gesunde. Vermehrte Regelverstöße bei Frontalhirngeschädigten sind daher nach<br />
Karnath et al. (1991) nicht Ausdruck einer generellen Unfähigkeit, den Kontext zu<br />
beachten, sondern entstehen aus der sich verzögert einstellenden Routine. Die Befunde<br />
stellen keinen Widerspruch zur Annahme über die beeinträchtigte Nutzung von<br />
Kontextinformationen nach Frontalhirnschädigung dar, sondern sind im Sinne einer<br />
Präzisierung zu verstehen.<br />
3.4.8 Reaktionsunterdrückung (response inhibition)<br />
Die Unterdrückung einer Reaktion spielt immer dann eine Rolle, wenn subjektiv ein<br />
starker Handlungsimpuls besteht (prepotent response), der aber nicht befolgt wird, weil<br />
die Reaktion ungeeignet ist, beispielsweise der Erreichung von Zielen einer Handlung<br />
entgegensteht oder in einer Situation in anderer Hinsicht unangemessen ist.