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86 «Gesellschaft und radioaktive Abfälle» Ein weiterer, bisher aber wenig systematisch untersuchter Aspekt ist die Gerechtigkeit oder Fairness – Verteilung des Nutzens (national) und der Bürden,die lokal/regional anfallen (vgl. Kasperson 1983), die Verfahrensfairness sowie die möglichen Bürden (radioaktive Abfälle), die an künftige Generationen weitergereicht werden (vgl.Easterling & Kunreuther 1995). Aus (sicherheits-) technisch-geologischen sowie ökonomischen Sachzwängen ist eine gleichmässige bzw. gerechte Verteilung der Bürden auf die gesamte Gesellschaft per se nicht möglich, womit der Verfahrensdimension eine viel stärkere Bedeutung zukommt. So wir heute angenommen, dass ein faires Standortverfahren (z.B. transparent, nachvollziehbar, Einbezug der Betroffenen, mögliche Kompensationen etc.) Voraussetzung für die Akzeptanz eines Lagers ist. Forschungsarbeiten im Bereich prozeduraler Gerechtigkeit zeigen einen günstigen Effekt von fairen Verfahren auf die Bereitschaft, ein auch (ungünstiges) Ergebnis zu akzeptieren (vgl.Thibaut & Walker 1978; Lind & Tyler 1988; Tyler 2000). Neuere Forschung relativiert die Bedeutung des Verfahrens insofern, als andere Faktoren wie zum Beispiel eine (moralische) Werthaltung von gleicher oder übergeordneter Bedeutung für die Akzeptanz sein können (vgl. Earle & Siegrist 2008; Skitka & Mullen in press). Ähnlich argumentiert Sjöberg (2004): er spricht allgemeiner vor der Rolle der Moral (‹interfering with nature›) im Zusammenhang mit der Risikowahrnehmung bzw. der Akzeptanz eines Lagers. Sjöberg ergänzt die erklärenden Variablen weiter auch noch um Einstellungsfragen z.B. zur Kernkraft im Allgemeinen und zeigt,dass diesen eine grosse Bedeutung zukommt. In einem durchaus vergleichbaren Sinn wird von einigen Autoren auch die Bedeutung von allgemeinen Werthaltungen diskutiert. So zeigen Siegrist et al. (2005) beispielsweise, dass Vertrauen gemeinsame Werte zwischen den Personen voraussetzt. Grosse Differenzen in der Risikoeinschätzung und Akzeptanz werden weiter auch zwischen den Geschlechtern beschrieben. Grundsätzlich schätzen Frauen im Gegensatz zu Männern technologische Risiken als grösser ein (Davidson & Freudenburg, 1996; Siegrist et al., 2005). Auch wenn sich die Geschlechter voneinander unterscheiden, können die Unterschiede zwischen Gruppen, z.B. wissenschaftlichen Fachrichtungen, ebenso gross sein oder sogar grösser als diejenigen zwischen den Geschlechtern (Barke et al., 1997). Zu fast allen diesen und einigen weiteren Aspekten wurden Fragen formuliert und in die Befragung der gesamten Schweiz aufgenommen.
Methodik der Studie 87 Tabelle 5.1 Ausgesuchte Studien zu zentralen Aspekten bei der Diskussion um die die Standortsuche zur Lagerung radioaktiver Abfälle oder anderer grosstechnischer Anlagen. Autoren (Jahr) Titel Abgedeckte Aspekte Barke et al. (1997) Risk perceptions of men and women scientists Geschlecht, Risikowahrnehmung Davidson & Freudenburg (1996) Gender and environmental risk concerns – A review and analysis of available research Geschlecht, Vertrauen, Risikowahrnehmung, Wissen Deutsch (1975) Equity, equality and need: what determines which value will Gerechtigkeit be used as the basis of distributive justice? Finucane et al. (2000) The affect heuristic in judgments of risks and benefits Emotionen, Risikowahrnehmung Flynn et al. (1992) Trust as a determinant of opposition to a high-level radioactive waste repository: Analysis of a structural model Vertrauen, Nutzen- und Risikowahrnehmung, Stigma Grasmück und Scholz (2005) Risk perception of heavy metal soil contamination by highexposed and low-exposed inhabitants: The role of Risikowahrnehmung, Emotionen, Wissen knowledge and emotional concerns Lima (2006) Predictors of attitudes toward the construction of a waste incinerator: two case studies Vertrauen, Risikowahrnehmung, Gerechtigkeit, Wissen Peters et al. (2004) An emotion-based model of risk perception and stigma susceptibility: Cognitive appraisals of emotion, affective reactivity, Emotionen, Risikowahrnehmung, Weltanschauung worldviews, and risk perceptions in the generation of technological stigma Poortinga & Pidgeon Prior attitudes, salient value similarity and dimensionality: Werthaltung, Vertrauen, Emotion (2006) towards an integrative model of trust in risk regulation Siegrist (2000) The influence of trust and perception of risk and benefits on the acceptance of gene technology Vertrauen, Nutzen- und Risikowahrnehmung Siegrist et al. (2005) Perception of risk: the influence of general trust, and general confidence Vertrauen, Nutzen- und Risikowahrnehmung, Geschlecht Siegrist et al. (2007) Public acceptance of nanotechnology foods and food packaging: the influence of affect and trust Vertrauen, Emotionen, Nutzenund Risikowahrnehmung Sjöberg (2004) Local acceptance of a high-level nuclear waste repository Risikowahrnehmung, Einstellung zur Kernkraft, Vertrauen Slovic et al. (1991) Perceived risk, stigma and potential economic impacts of a high-level nuclear waste repository in Nevada Risikowahrnehmung, Stigma
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