In diesem Moment kam Charles hinter mir aus dem Unterholz hervor und tackelte mich; er stieß michso hart zu Boden, dass mir einen Moment lang die Luft wegblieb. „Hab dich!“, brüllte er. Bis dahinhatte ich ihn nur entfernt gekannt, und allzu viel von ihm gehalten hatte ich noch nie; aber jetzt warich bereit zu töten. Langsam erhob ich mich und schaute ihn an mit seinem Grinsen und derstolzgeschwellten Brust. „Du bist so was von tot“, sagte er. „Ich hab dich astrein erwischt.“Ich grinste, und dabei fühlte sich etwas in meinem Gesicht falsch und wund an. Ich berührte meineOberlippe. Sie war blutig. Meine Nase blutete, und meine Lippe war aufgeplatzt, als ich nach seinemAngriff mit dem Gesicht zuerst auf einer Wurzel gelandet war.Ich wischte das Blut an meinem Hosenbein ab und lächelte. Ich gab mir den Anschein, das allesunheimlich lustig zu finden, lachte ein bisschen und ging auf ihn zu.Charles ließ sich nicht überlisten. Er war schon am Zurückweichen und versuchte, im Gebüsch zuverschwinden. Darryl schnitt ihm den einen Fluchtweg ab. Ich übernahm den anderen. Plötzlichdrehte er sich um und rannte. Darryls Fußangel ließ ihn die Schwalbe machen. Wir stürzten unsgerade auf ihn, als wir eine Schiedsrichterpfeife hörten.Der Schiedsrichter hatte nicht gesehen, wie Charles mich foulte, aber er hatte ihn am Wochenendebeim Spielen beobachtet. So sandte er Charles zum Camp-Eingang zurück und erklärte ihm, dass eraus dem Spiel war. Charles beschwerte sich lautstark, aber zu unserer Genugtuung wollte derUnparteiische nichts davon wissen. Als Charles fort war, hielt er auch uns eine Standpauke und sagte,unsere Vergeltung sei um nichts mehr gerechtfertigt gewesen als der Angriff von Charles.Damit war es okay. Als die Spiele an diesem Abend zu Ende waren, nahmen wir alle in denLagerunterkünften eine heiße Dusche. Darryl und ich stahlen Charles‘ Klamotten und sein Handtuch.Wir knoteten alles zusammen und warfen die Bündel ins Pissoir. Eine Menge Jungs waren nur zuglücklich, uns beim Einweichen helfen zu dürfen – Charles war bei seinen Rempeleien ziemlichenthusiastisch gewesen.Ich wünschte, ich hätte ihn sehen können in dem Moment, als er aus der Dusche kam und seineKleidung entdeckte. Muss eine schwierige Entscheidung sein: Rennst du nackt durchs Camp, oderdröselst du die fest verknoteten, zugepissten Klamotten auseinander und ziehst sie an?Er wählte Nacktheit. Ich hätte wahrscheinlich dasselbe gewählt. Wir stellten uns in einer langen Reihezwischen den Duschen und den Baracken auf, wo das Gepäck lagerte, und applaudierten ihm. Ichstand am Anfang der Reihe und klatschte am lautesten.-----Diese Wochenendlager gab es nur drei oder vier Mal im Jahr, was bei Darryl und mir – und vielenanderen LARPern – zu ernsthaften Entzugserscheinungen führte. Zum Glück gab es noch dieWretched-Daylight-Spiele in den Hotels der Stadt. Wretched Daylight ist ein anderes LARP mitrivalisierenden Vampir-Clans und Vampirjägern, und es hat seine eigenen raffinierten Regeln. Manbekommt Spielkarten zur Bewältigung der Kämpfe, so dass jedes Geplänkel eine kleine Runde einesStrategie-Kartenspiels umfasst. Vampire können unsichtbar werden, indem sie sich ihren Mantel überden Kopf ziehen und die Arme vor der Brust verschränken; dann müssen alle anderen Mitspieler sotun, als ob sie diesen Vampir nicht sehen, und ihre Unterhaltung über ihre Pläne und so weiterfortsetzen. Einen wirklich guten Spieler erkennt man daran, dass er ehrlich genug ist, seineGeheimnisse vor einem „unsichtbaren“ Rivalen auszuplaudern und dabei so zu tun, als sei dieser garnicht im Raum.Jeden Monat fand eine Handvoll großer Wretched-Daylight-Spiele statt. Die Organisatoren der Spielehatten einen guten Draht zu den Hotels der Stadt und ließen sie jeweils wissen, dass sie freitagnachtszehn bis dahin unbelegte Zimmer buchen und mit Spielern füllen würden. Die Spieler würden dannim Hotel herumstreifen und in den Korridoren, am Pool und so halbwegs unauffällig WretchedDaylight spielen, sie würden im Hotelrestaurant essen und für die Nutzung des Hotel-WLANsbezahlen. Freitagnachmittags war Meldeschluss; dann mailten die Organisatoren uns an, und wir158
gingen nach der Schule direkt zu dem jeweiligen Hotel, brachten unsere Schlafsäcke mit, schliefenübers Wochenende jeweils zu sechst oder acht in einem Zimmer, ernährten uns von Junk-Food undspielten bis drei Uhr früh. Es war ein nettes, sauberes Vergnügen, gegen das unsere Eltern nichtseinzuwenden hatten.Organisator war ein bekannter Bildungs-Förderverein, der Schreib-Workshops, Theaterkurse unddergleichen mehr für Jugendliche anbot. Er veranstaltete die Spiele schon seit zehn Jahren, ohne dasses je einen Zwischenfall gegeben hätte. Alles war streng alkohol- und drogenfrei, um dieOrganisatoren nicht irgendwelchen Vorwürfen der Verführung Minderjähriger auszusetzen. Je nachWochenende kamen zwischen zehn und hundert Spieler zusammen, und für den Preis wenigerKinokarten hatten wir zweieinhalb Tage lang mächtig Spaß.Doch eines Tages gelang es ihnen, einen Block von Zimmern im Monaco zu buchen, einem Hotel imTenderloin, das sich an kunstbeflissene ältere Touristen richtete – einem dieser Orte, an denen injedem Zimmer ein Goldfischglas stand und die Empfangshalle voll war mit wundervollen altenMenschen in feiner Kleidung, die ihre Ergebnisse plastischer Chirurgie zur Schau stellten.Normalerweise pflegten uns die Irdischen – unser Wort für Nicht-Spieler – einfach zu ignorieren, siehielten uns wohl für junge Hallodris. Aber an jenem Wochenende war zufällig der Herausgeber einesitalienischen Reisemagazins im Hotel, und der entwickelte Interesse an der Sache. Er trieb mich in dieEnge, als ich in der Halle herumlungerte in der Hoffnung, den Clan-Führer meiner Rivalen zu sehen,um mich auf ihn zu stürzen und sein Blut zu schlürfen. Ich stand mit über der Brust verschränktenArmen, also unsichtbar, an die Wand gelehnt herum, als er sich näherte und mich in holprigemEnglisch fragte, was meine Freunde und ich denn an diesem Wochenende hier so trieben.Ich versuchte ihn loszuwerden, aber er ließ nicht locker. Also dachte ich, ich könne mir ja einfach wasausdenken, damit er endlich verschwände.Ich ahnte nicht, dass er meine Story drucken würde. Und ich ahnte noch viel weniger, dass es von deramerikanischen Journaille aufgegriffen werden würde.„Wir sind hier, weil unser Prinz gestorben ist, deshalb mussten wir auf der Suche nach einem neuenHerrscher hierher kommen.“„Ein Prinz?“„Ja“, sagte ich und gewann Gefallen an der Sache. „Wir sind das Alte Volk. Wir sind im 16.Jahrhundert nach Amerika eingewandert, und seither lebte unsere königliche Familie ununterbrochenin der Wildnis von Pennsylvania. Wir leben unter einfachen Bedingungen im Wald, und wir benutzenkeinerlei moderne Technik. Doch der Prinz war der Letzte seiner Abstammungslinie, und er ist vorigeWoche gestorben. Eine furchtbare auszehrende Krankheit hat ihn von uns genommen. Die jungenMänner meines Clans sind aufgebrochen, die Nachkommen seines Großonkels zu finden, der zur Zeitmeines Großvaters davongegangen war, um sich den modernen Menschen anzuschließen. Man sagt,er habe sich fortgepflanzt, und wir werden den Letzten seiner Linie finden und zurück in seinerechtmäßige Heimat bringen.“Ich las damals eine Menge Fantasy-Romane. Solches Zeug flog mir nur so zu.„Wir fanden eine Frau, die um jene Abkömmlinge wusste. Sie sagte uns, einer von ihnen sei in diesemHotel anzutreffen, und so sind wir gekommen, ihn zu finden. Jedoch hat ein rivalisierender Clanunsere Spur hierher verfolgt, um uns davon abzuhalten, unseren Prinzen heimzubringen, um uns inSchwäche und leicht beherrschbar zu halten. Daher ist es überlebensnotwendig, dass wir unter unsbleiben. Wir reden nur mit dem Neuen Volk, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Jetzt mit Ihnen zusprechen bereitet mir großes Unbehagen.“Er beobachtete mich abschätzend. Ich hatte meine Arme nicht mehr gekreuzt, daher war ich fürrivalisierende Vampire jetzt sichtbar; und eine von ihnen hatte sich heimlich an uns herangeschlichen.Ich drehte mich im letzten Moment um und sah sie mit ausgebreiteten Armen und zischelnd auf unszukommen, eine Vampirin im ganz großen Stil.159
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Cory DoctorowLittle BrotherDeutsch
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Bona, Heimatort Petaluma) ist ne ga
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werden konnten. Man musste bloß hi
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Aber es gibt ne Menge Leute, die ir
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Kapitel 2Dieses Kapitel ist Amazon.
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sind, die auf seinen Befehl warten.
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Die physische Komponente des heutig
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Kapitel 3Dieses Kapitel ist Borderl
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des Telefonnetzes. Solche Sachen h
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Das Licht im Raum war so grell, das
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Desinfektionslösung, auf der in kl
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Wenn du mit den Bullen sprichst, oh
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Wärter brüllten uns zu, wir sollt
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Die Wahrheit lautet: Ich hatte alle
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Dann zurück in die Zelle; aber sie
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„Warten Sie!“, schrie ich. „B
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Kapitel 5Dieses Kapitel ist Secret
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Gegend gabs schon seit Jahren keine
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Ich verstand den Wink und ging weit
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Ich fand mein Bild und sah, dass es
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Ich wälzte mich aus dem Bett. Inzw
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Hacker gehen durch solche Sperren g
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Meine Kinnlade klappte runter.„De
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Deshalb geben sich Rasierklingen-Fi
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Und tatsächlich ist ziemlich genau
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mit vollem Magen. Außerdem nahm ic
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„Also folgen Sie jedem, der mit e
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„Mom setzte ihren Teebecher ab.
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unnormal warst. Und ich konnte das
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Pigspleens Gründerin hatte die Ant
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Kapitel 8Dieses Kapitel ist Borders
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Sie lag zurückgelehnt in der Sonne
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hat. Damit meine ich, er liefert in
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man machte die Pseudo-Sicherheitsma
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(Klingen kreuzen, um auszufechten,
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dass sie mich abgefangen haben, ist
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Und die Überwachung in Großbritan
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Jetzt konnte ich wirklich nicht meh
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Das würde absolut klappen! Jolu, d
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„Was?“, fragte ich, obgleich ic
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„Was ich heute Nacht von euch mö
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jemanden erkennt, dem man vertrauen
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Zuerst fand der Vorschlag keinen Zu
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Die planen einen Riesengig und habe
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Das gab den Startschuss für die Be
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Kapitel 12Dieses Kapitel ist Forbid
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Moment hätte ich schwören können
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Tabasco. Das ist verdammt höllensc
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