Die Wahrheit lautet: Ich hatte alles zu verbergen und nichts zugleich. Handy und Speicherstiftezusammen würden bloß einiges darüber verraten, mit wem ich befreundet war, was ich von diesenFreunden dachte und welche albernen Dinge wir erlebt hatten. Man konnte die Mitschnitte unsererelektronischen Diskussionen nachverfolgen und die elektronischen Ergebnisse, zu denen dieseDiskussionen uns geführt hatten.Wisst ihr, ich lösch einfach nichts. Wozu auch? Speicherplatz ist billig, und man weiß nie, wann manauf die Sachen noch mal zurückkommen mag. Vor allem auf die dummen Sachen. Kennt ihr dasGefühl, wenn man in der U-Bahn sitzt und niemanden zum Quatschen hat, und plötzlich erinnert mansich an irgendeinen heftigen Streit, an irgendwas Fieses, was man mal gesagt hat? Und normalerweiseist das doch nie so übel, wie es einem in der Erinnerung vorkommt. Wenn man dann noch mal diealten Sachen durchgucken kann, hilft das zu merken, dass man doch nicht so ein mieser Typ ist, wieman dachte. Darryl und ich haben auf diese Weise so viele Streitereien hinter uns gebracht, dass ichsgar nicht mehr zählen kann.Und auch das triffts noch nicht. Ich weiß einfach: Mein Handy ist privat; meine Speichersticks sindprivat. Und zwar dank Kryptografie – Texte unleserlich zerhacken. Hinter Krypto steckt solideMathematik, und jeder hat Zugriff auf dieselbe Krypto, die auch Banken oder die NationaleSicherheitsbehörde nutzen. Jeder nutzt ein und dieselbe Sorte Krypto: öffentlich, frei und vonjedermann benutzbar. Deshalb kann man sicher sein, dass es funktioniert.Es hat echt was Befreiendes zu wissen, dass es eine Ecke in deinem Leben gibt, die deine ist, diesonst keiner sieht außer dir. Das ist so ähnlich wie nackt sein oder kacken. Jeder ist hin und wiedernackt, und jeder muss mal aufs Klo. Nichts daran ist beschämend, abseitig oder bizarr. Aber was wäre,wenn ich verfügen würde, dass ab sofort jeder, der mal eben ein paar Feststoffe entsorgen muss, dazuin ein Glashäuschen mitten auf dem Times Square gehen muss, und zwar splitterfasernackt?Selbst wenn an deinem Körper nichts verkehrt oder komisch ist – und wer von uns kann das schonbehaupten? –, musst du schon ziemlich schräg drauf sein, um die Idee gut zu finden. Die meisten vonuns würden schreiend weglaufen; wir würden anhalten, bis wir platzen.-----Es geht nicht darum, etwas Verwerfliches zu tun. Es geht darum, etwas Privates zu tun. Es geht umdein Leben und dass es dir gehört.Und das nahmen sie mir jetzt weg, Stück für Stück. Auf dem Weg zurück in die Zelle kam diesesGefühl wieder auf, es irgendwie verdient zu haben. Mein ganzes Leben lang hatte ich alle möglichenRegeln übertreten und war damit meist durchgekommen. Vielleicht wars ja nur gerecht so? Vielleichtkam jetzt meine Vergangenheit zu mir zurück. Immerhin war ich dort gewesen, wo ich war, weil ichdie Schule geschwänzt hatte.Ich durfte mich duschen. Ich durfte auf den Hof gehen. Man sah ein Fleckchen Himmel oben, und esroch nach Bay Area, aber darüber hinaus hatte ich keinen Schimmer, wo man mich festhielt. Keineanderen Gefangenen waren zu sehen, solange ich mich bewegen durfte, und immer nur im Kreisrumlaufen wurde mir schnell langweilig. Ich bemühte mich, irgendwelche Geräuscheaufzuschnappen, die mir Aufschlüsse über diesen Ort geben könnten, aber alles, was ich hörte, wargelegentlicher Fahrzeuglärm, entfernte Unterhaltungen oder mal ein Flugzeug, das in der Nähelandete.Sie brachten mich in die Zelle zurück und gaben mir was zu essen: eine halbe Peperoni von Goat HillPizza. Die kannte ich gut, sie saßen oben auf Potrero Hill. Der Karton mit der vertrauten Gestaltungund der 415er Telefonnummer erinnerte mich daran, dass ich gestern noch ein freier Mensch in einemfreien Land gewesen war und heute ein Gefangener. Ich machte mir ständig Sorgen um Darryl undwar unruhig wegen meiner anderen Freunde.Vielleicht waren die ja kooperativer gewesen undfreigelassen worden. Vielleicht hatten sies schon meinen Eltern erzählt, und die telefonierten jetzt inder Weltgeschichte rum.28
Vielleicht auch nicht.Die Zelle war unglaublich leer, so leer wie meine Seele. Ich stellte mir vor, dass die Wand gegenübermeiner Koje ein Monitor war, dass ich jetzt hacken konnte, dass ich die Zellentür öffnen konnte. Ichträumte von meiner Werkbank und den Projekten, die da auf mich warteten – die alten Dosen, die ichin eine Ghetto-Surroundsound-Anlage verwandeln würde, die Lenkdrachen-Kamera zurLuftbildfotografie, die ich grade baute, meinen Eigenbau-Laptop.Ich wollte hier raus. Ich wollte heim zu meinen Freunden, in die Schule, zu meinen Eltern; ich wolltemein Leben zurückhaben. Ich wollte gehen können, wohin ich wollte, nicht dazu verdonnert sein,immer nur im Kreis zu laufen.Als nächstes holten sie sich die Passworte für meine USB-Stifte. Da waren ein paar interessanteNachrichten drauf, die ich aus diversen Diskussionsforen runtergeladen hatte, einige Chat-Mitschriften, so Sachen, wo mir Leute mit ihrer Erfahrung ein bisschen bei den Sachen geholfenhatten, die ich halt so tat. Nichts dabei, was man nicht auch mit Google finden könnte, aber ich nahmnicht an, dass man mir das als mildernde Umstände anrechnen würde.An diesem Nachmittag bekam ich wieder Bewegung, und dieses Mal waren auch andere im Hof, alsich rauskam; vier Typen und zwei Frauen verschiedensten Alters und ethnischer Zugehörigkeit.Schätze mal, eine Menge Leute taten Dinge, um sich „Privilegien“ zu verdienen.Sie gaben mir ne halbe Stunde, und ich versuchte, mit dem am normalsten aussehenden Häftling insGespräch zu kommen: einem Schwarzen etwa meines Alters mit kurzem Afroschnitt. Aber als ichmich vorstellte und die Hand ausstreckte, drehte er bloß die Augen in Richtung der Kameras, die inden Hofecken angebracht waren, und lief weiter, ohne auch nur eine Miene zu verziehen.Aber dann, kurz bevor sie meinen Namen ausrufen würden, um mich ins Gebäude zurückzubringen,öffnete sich die Tür, und heraus kam – Vanessa! Nie zuvor war ich so froh gewesen, ein vertrautesGesicht zu sehen. Sie sah übermüdet, aber nicht verletzt aus, und als sie mich sah, rief sie meinenNamen und rannte auf mich zu. Wir fielen einander um den Hals, und ich merkte, wie ich zitterte.Und sie zitterte ebenfalls.„Bist du okay?“, fragte sie und betrachtete mich auf Armlänge Abstand.„Ich bin okay“, entgegnete ich. „Sie sagten, sie würden mich rauslassen, wenn ich ihnen meinePasswörter gebe.“„Sie fragen mich dauernd über dich und Darryl aus.“ Über Lautsprecher plärrte uns eine Stimme an,mit Reden aufzuhören und weiterzulaufen, aber wir ignorierten sie.„Antworte ihnen“, sagte ich eilig. „Was auch immer sie fragen, gib ihnen Antwort. Vielleicht bringtsdich raus.“„Wie gehts Darryl und Jolu?“„Hab sie nicht mehr gesehen.“Die Tür schwang auf, und vier riesige Wärter stürmten raus. Zwei schnappten mich und zwei Vanessa.Sie zwangen mich zu Boden und drehten meinen Kopf von Vanessa weg, doch ich konnte hören, wieman mit ihr das gleiche machte. Plastikhandschnellen schnappten um meine Handgelenke zu, dannwurde ich auf die Füße gezerrt und in meine Zelle zurückgebracht.An diesem Abend gab es kein Essen. Am nächsten Morgen gab es kein Frühstück. Niemand kam undbrachte mich zum Befragungsraum, um weitere Geheimnisse aus mir rauszupressen. DiePlastikhandschellen bleiben dran, meine Schultern brannten, schmerzten, wurden taub, branntenwieder. In den Händen hatte ich überhaupt kein Gefühl mehr.Ich musste mal pinkeln. Aber ich konnte die Hose nicht aufmachen. Ich musste richtig, richtigdringend pissen.Ich machte mir in die Hose.29
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Moment hätte ich schwören können
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Tabasco. Das ist verdammt höllensc
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„Traut keinem über 25!“Sie sch
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Und dann fiel der Nebel vom Himmel.
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„Heilige Scheiße!“ Das war wir
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meinten wir, holt euch Amerika zur
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verliert eure Freiheit und eure Fre
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Kapitel 14Dieses Kapitel ist der un
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edroht ist. Wir sitzen jetzt im Ret
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ennen, brennen, brennen wie sagenha
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mit Schraubenziehern auseinananderg
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Angelegenheit, als gestern abend Na
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zurechtzufinden, und gelegentlich d
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Gegen elf Uhr hatte ich genug. Auß
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Ich hatte Glück. Niemand verhaftet
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-----Ange und ich sprachen vier Tag
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Darryl erzählte mir, dass sie ihm
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Kapitel 16Dieses Kapitel ist San Fr
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lebten. Es war neblig um Twin Peaks
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Mom nickte. „Du wirst gleich vers
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„Nun, das wirft ein anderes Licht
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Hier kommt ein Hack, an den du noch
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eine flache Nase mit breit ausgeste
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Ich brauch dich, um selbst rauszuko
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geheimen Gegenspieler hatte, einen
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gingen nach der Schule direkt zu de
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Jedenfalls ist das eine gute Theori
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„Jetzt gehen wir zu dir und kümm
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Kapitel 19Dieses Kapitel ist dem MI
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worden zu sein; viel eher klang es,
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Um mich herum fielen Hunderte Vampi
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Wir liefen weiter Market Street hoc
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Ich kam wieder auf die Beine. Alles
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Quarter aus meiner Tasche und polie
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„Hört mal, ich muss jetzt sofort
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gemeldet, zu meiner Armee. Ich war
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Dieses Mal war es ein Eimer voll Wa
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Endlich eine Frage, die ich beantwo
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Alles, woran ich denken konnte, war
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„Er schläft“, sagte er. „Vor
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Der Gouverneur breitete die Arme au
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Risikokapitalgeber saßen, um eine
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Nachwort des ÜbersetzersIm 13. Kap