Desinfektionslösung, auf der in kleiner Schrift eine Liste biologischer Wirkstoffe zu lesen war. Ichrieb ein bisschen was in die Hände ein und verließ die Klokabine.„Was hast du da drin gemacht?“, wollte der Typ wissen.„Die sanitären Anlagen benutzt“, entgegnete ich. Er drehte mich um, griff meine Hände, und ichfühlte, wie ein neues Paar Plastikschellen sich darum schlossen. Seit er die anderen abgeschnittenhatte, waren meine Handgelenke angeschwollen, und die neuen schnitten brutal in die empfindlicheHaut, aber ich weigerte mich, ihnen die Befriedigung zu verschaffen, mich schreien zu hören.Er fesselte mich wieder an meinen Platz und schnappte sich meinen Nebenmann – Jolu, wie ich jetzterst sah, das Gesicht verschwollen und eine hässliche Schramme auf der Wange.„Bist du OK?“, fragte ich ihn, woraufhin mein Freund mit dem Gimmickgürtel mir die Hand auf dieStirn legte und einmal kurz, aber heftig drückte. Mein Hinterkopf donnerte gegen die Metallwand desTrucks, als ob die Uhr eins schlug. „Reden verboten“, sagte er, während ich mühsam meinenverschwommenen Blick wieder fokussierte.Ich mochte diese Leute nicht. Genau in diesem Moment wusste ich, dass sie all das würden bezahlenmüssen.Einer nach dem anderen durften die Gefangenen aufs Klo, kamen zurück, und als alle fertig waren,ging mein Bewacher zu seinen Freunden zurück, trank noch einen Kaffee – ich konnte sehen, dass sieaus einer großen Papp-Kanne von Starbucks tranken –, und sie unterhielten sich undeutlich, aber mitviel Gelächter.Dann öffnete sich die Tür hinten im Truck, und frische Luft strömte herein, nicht rauchverhangen wiezuvor, sondern von Ozon durchzogen. Wie ich durch den Türspalt erkennen konnte, bevor die Türsich wieder schloss, war es dunkel und regnerisch draußen, die San-Francisco-Sorte Regen, diezugleich Nebel ist.Der Mann, der hereinkam, trug eine Militäruniform. Eine US-Militäruniform. Er grüßte die Leute imTruck, und sie grüßten zurück; und da wusste ich: Ich war kein Gefangener irgendwelcher Terroristen– ich war ein Gefangener der Vereinigten Staaten von Amerika.-----Sie stellten eine kleine Sichtblende hinten im Truck auf und machten uns dann einzeln los und führtenuns dorthin. Nach meinen Schätzungen – im Kopf Sekunden zählen, einundzwanzig, zweiundzwanzig– dauerte jede Befragung rund sieben Minuten. Mein Schädel brummte vor Flüssigkeitsmangel undKoffeinentzug.Ich kam als Dritter dran, die Frau mit dem strengen Haarschnitt brachte mich hin. Aus der Nähe sahsie müde aus, mit Ringen unter den Augen und tiefen Linien um die Mundwinkel.„Danke“, sagte ich automatisch, als sie mich mit einer Fernbedienung losmachte und auf die Füßezog. Ich hasste mich selbst für die unwillkürliche Höflichkeit, aber so war ich nun mal gedrilltworden.Sie verzog keine Miene. Ich ging vor ihr her zum anderen Ende des Trucks und hinter dieSichtblende. Ein einzelner Klappstuhl war für mich; zwei von ihnen, Frau Strenger Haarschnitt undHerr Gimmickgürtel, blickten mich von ihren ergonomischen Superstühlen herab an.Zwischen ihnen stand ein Tischchen, auf dem sie den Inhalt meiner Brieftasche und meinesRucksacks ausgebreitet hatten.„Hallo, Marcus“, sagte Frau Strenger Haarschnitt. „Wir müssen dir einige Fragen stellen.“„Bin ich verhaftet?“, wollte ich wissen. Das war keine sinnlose Frage. Wenn du nicht verhaftet bist,dann gibt es Beschränkungen, was die Bullen mit dir machen können und was nicht. Zunächst malkönnen sie dich nicht unendlich lange festhalten, ohne dich festzunehmen, dir ein Telefonat zu22
erlauben oder dich mit nem Anwalt sprechen zu lassen. Und ein Anwalt, Mann, mit dem würde ich alsallererstes sprechen.„Was soll das hier?“, fragte sie und hielt mein Handy hoch. Auf dem Monitor war die Fehlermeldungzu sehen, die erschien, wenn man versuchte, an die Daten zu kommen, ohne das richtige Passworteinzugeben. Es war eine etwas derbe Botschaft – eine animierte Hand, die eine allgemein bekannteGeste formte –, denn ich liebte es, meine Geräte zu individualisieren.„Bin ich verhaftet?“, wiederholte ich. Wenn du nicht verhaftet bist, können sie dich auch nicht dazuzwingen, Fragen zu beantworten, und wenn du fragst, ob du verhaftet bist, müssen sie dir antworten.So ist die Regel.„Du bist im Gewahrsam des Ministeriums für Heimatschutz“, blaffte die Frau.„Bin ich verhaftet?“„Vor allem bist du kooperativer als bisher, Marcus, und zwar ab sofort.“ Sie sagte nicht „sonst“, aberdas klang mit.„Ich möchte einen Anwalt sprechen“, sagte ich. „Ich möchte wissen, was man mir vorwirft. Und ichmöchte, dass Sie beide sich irgendwie ausweisen.“Die beiden Agenten wechselten Blicke.„Ich glaube, du solltest deine Haltung in dieser Lage noch mal überdenken“, sagte Frau StrengerHaarschnitt. „Und ich glaube, das solltest du auf der Stelle tun. Wir haben eine Reihe verdächtigerGegenstände bei dir gefunden. Wir haben dich und deine Komplizen in der Nähe des Tatorts desschwersten Terroranschlags vorgefunden, den dieses Land jemals erlebt hat. Bring die beiden Faktenin Verbindung, und für dich siehts nicht gut aus, Marcus. Du kannst kooperieren, oder es wird dir sehr,sehr Leid tun. Und jetzt?“„Sie denken, ich bin ein Terrorist? Ich bin Siebzehn!“„Genau das richtige Alter – Al Kaida rekrutiert am liebsten idealistische Kids, die sich nochbeeindrucken lassen. Wir haben dich mal gegoogelt, weißt du? Du hast eine Menge hässliches Zeugim öffentlichen Internet gepostet.“„Ich möchte einen Anwalt sprechen“, sagte ich.Frau Strenger Haarschnitt sah mich an, als sei ich ein Käfer. „Du liegst völlig falsch mit der Annahme,dass die Polizei dich wegen eines Verbrechens geschnappt hat. Schlag dir das aus dem Kopf. Dubefindest dich als möglicher feindlicher Kämpfer im Gewahrsam der Regierung der VereinigtenStaaten. An deiner Stelle würde ich sehr genau drüber nachdenken, wie du uns davon überzeugenkannst, kein feindlicher Kämpfer zu sein. Sehr genau. Denn weißt du, es gibt da dunkle Löcher, indenen feindliche Kämpfer verschwinden können, sehr tiefe dunkle Löcher, in denen man einfachverschwinden kann. Für immer. Hörst du mir gut zu, junger Mann? Ich möchte, dass du dein Telefonentsperrst und die Daten im Speicher dechiffrierst. Ich möchte, dass du Rechenschaft darüber ablegst,warum du auf der Straße warst. Was weißt du über den Anschlag auf diese Stadt?“„Ich werde mein Telefon nicht für Sie entsperren“, sagte ich zornig. Im Speicher meines Handys hatteich alles Mögliche an privatem Krams: Fotos, Mails, kleine Hacks und Cracks, die ich installiert hatte.„Das sind meine Privatsachen.“„Was hast du zu verbergen?“„Ich habe ein Recht auf Privatsphäre“, sagte ich. „Und ich möchte einen Anwalt sprechen.“„Das ist deine letzte Chance, Kleiner. Ehrliche Leute haben nichts zu verbergen.“„Ich möchte einen Anwalt sprechen.“ Meine Eltern würden dafür aufkommen. Sämtliche FAQs übersVerhaftetwerden waren in dem Punkt eindeutig: Einfach nur einen Anwalt fordern, egal was sie sagen.23
- Seite 2 und 3: Cory DoctorowLittle BrotherDeutsch
- Seite 4 und 5: Bona, Heimatort Petaluma) ist ne ga
- Seite 6 und 7: werden konnten. Man musste bloß hi
- Seite 8 und 9: Aber es gibt ne Menge Leute, die ir
- Seite 10 und 11: Kapitel 2Dieses Kapitel ist Amazon.
- Seite 12 und 13: sind, die auf seinen Befehl warten.
- Seite 14 und 15: Die physische Komponente des heutig
- Seite 16 und 17: Kapitel 3Dieses Kapitel ist Borderl
- Seite 18 und 19: des Telefonnetzes. Solche Sachen h
- Seite 20 und 21: Das Licht im Raum war so grell, das
- Seite 24 und 25: Wenn du mit den Bullen sprichst, oh
- Seite 26 und 27: Wärter brüllten uns zu, wir sollt
- Seite 28 und 29: Die Wahrheit lautet: Ich hatte alle
- Seite 31 und 32: Dann zurück in die Zelle; aber sie
- Seite 33 und 34: „Warten Sie!“, schrie ich. „B
- Seite 35 und 36: Kapitel 5Dieses Kapitel ist Secret
- Seite 37 und 38: Gegend gabs schon seit Jahren keine
- Seite 39 und 40: Ich verstand den Wink und ging weit
- Seite 41 und 42: Ich fand mein Bild und sah, dass es
- Seite 43 und 44: Ich wälzte mich aus dem Bett. Inzw
- Seite 45 und 46: Hacker gehen durch solche Sperren g
- Seite 47 und 48: Meine Kinnlade klappte runter.„De
- Seite 49 und 50: Deshalb geben sich Rasierklingen-Fi
- Seite 51 und 52: Und tatsächlich ist ziemlich genau
- Seite 53 und 54: mit vollem Magen. Außerdem nahm ic
- Seite 55 und 56: „Also folgen Sie jedem, der mit e
- Seite 57 und 58: „Mom setzte ihren Teebecher ab.
- Seite 59 und 60: unnormal warst. Und ich konnte das
- Seite 61 und 62: Pigspleens Gründerin hatte die Ant
- Seite 63 und 64: Kapitel 8Dieses Kapitel ist Borders
- Seite 65 und 66: Sie lag zurückgelehnt in der Sonne
- Seite 67 und 68: hat. Damit meine ich, er liefert in
- Seite 69 und 70: man machte die Pseudo-Sicherheitsma
- Seite 71 und 72: (Klingen kreuzen, um auszufechten,
- Seite 73 und 74:
dass sie mich abgefangen haben, ist
- Seite 75 und 76:
Und die Überwachung in Großbritan
- Seite 77 und 78:
Jetzt konnte ich wirklich nicht meh
- Seite 79 und 80:
Das würde absolut klappen! Jolu, d
- Seite 81 und 82:
Du willst ihnen eine Nachricht schi
- Seite 83 und 84:
„Tja, was machen wir? Mann, ich w
- Seite 85 und 86:
„Was?“, fragte ich, obgleich ic
- Seite 87 und 88:
„Was ich heute Nacht von euch mö
- Seite 89 und 90:
jemanden erkennt, dem man vertrauen
- Seite 91 und 92:
Zuerst fand der Vorschlag keinen Zu
- Seite 93 und 94:
Die planen einen Riesengig und habe
- Seite 95 und 96:
Das gab den Startschuss für die Be
- Seite 97 und 98:
Kapitel 12Dieses Kapitel ist Forbid
- Seite 99 und 100:
Moment hätte ich schwören können
- Seite 101 und 102:
Tabasco. Das ist verdammt höllensc
- Seite 103 und 104:
„Traut keinem über 25!“Sie sch
- Seite 105 und 106:
Und dann fiel der Nebel vom Himmel.
- Seite 107 und 108:
Kapitel 13Dieses Kapitel ist Books-
- Seite 109 und 110:
„Heilige Scheiße!“ Das war wir
- Seite 111 und 112:
meinten wir, holt euch Amerika zur
- Seite 113 und 114:
verliert eure Freiheit und eure Fre
- Seite 115 und 116:
Kapitel 14Dieses Kapitel ist der un
- Seite 117 und 118:
edroht ist. Wir sitzen jetzt im Ret
- Seite 119 und 120:
ennen, brennen, brennen wie sagenha
- Seite 121 und 122:
mit Schraubenziehern auseinananderg
- Seite 123 und 124:
Angelegenheit, als gestern abend Na
- Seite 125 und 126:
Kapitel 15Dieses Kapitel ist Chapte
- Seite 127 und 128:
zurechtzufinden, und gelegentlich d
- Seite 129 und 130:
Gegen elf Uhr hatte ich genug. Auß
- Seite 131 und 132:
Ich hatte Glück. Niemand verhaftet
- Seite 133 und 134:
-----Ange und ich sprachen vier Tag
- Seite 135 und 136:
Darryl erzählte mir, dass sie ihm
- Seite 137 und 138:
Kapitel 16Dieses Kapitel ist San Fr
- Seite 139 und 140:
lebten. Es war neblig um Twin Peaks
- Seite 141 und 142:
Mom nickte. „Du wirst gleich vers
- Seite 143 und 144:
„Nun, das wirft ein anderes Licht
- Seite 145 und 146:
Ursprung des Xnet darstellen. ‚Si
- Seite 147 und 148:
Wir stöpselten die Xbox ein und gi
- Seite 149 und 150:
Werbemails zu missbrauchen, und des
- Seite 151 und 152:
Hier kommt ein Hack, an den du noch
- Seite 153 und 154:
eine flache Nase mit breit ausgeste
- Seite 155 und 156:
Ich brauch dich, um selbst rauszuko
- Seite 157 und 158:
geheimen Gegenspieler hatte, einen
- Seite 159 und 160:
gingen nach der Schule direkt zu de
- Seite 161 und 162:
Jedenfalls ist das eine gute Theori
- Seite 163 und 164:
„Jetzt gehen wir zu dir und kümm
- Seite 165 und 166:
Kapitel 19Dieses Kapitel ist dem MI
- Seite 167 und 168:
worden zu sein; viel eher klang es,
- Seite 169 und 170:
Um mich herum fielen Hunderte Vampi
- Seite 171 und 172:
Wir liefen weiter Market Street hoc
- Seite 173 und 174:
Ich kam wieder auf die Beine. Alles
- Seite 175 und 176:
Ich schluckte. Ich fühlte Knochen
- Seite 177 und 178:
Quarter aus meiner Tasche und polie
- Seite 179 und 180:
„Hört mal, ich muss jetzt sofort
- Seite 181 und 182:
gemeldet, zu meiner Armee. Ich war
- Seite 183 und 184:
waren ein Zeuge Jehovas und ein Sci
- Seite 185 und 186:
Jetzt sah sie mich mit blanker Wut
- Seite 187 und 188:
Und da geschah es. Eine unglaublich
- Seite 189 und 190:
Dieses Mal war es ein Eimer voll Wa
- Seite 191 und 192:
Endlich eine Frage, die ich beantwo
- Seite 193 und 194:
Alles, woran ich denken konnte, war
- Seite 195 und 196:
„Er schläft“, sagte er. „Vor
- Seite 197 und 198:
Der Gouverneur breitete die Arme au
- Seite 199 und 200:
Risikokapitalgeber saßen, um eine
- Seite 201:
Nachwort des ÜbersetzersIm 13. Kap