Das Licht im Raum war so grell, dass ich die Augen zukneifen musste; aber nach und nach öffnete ichsie zu Schlitzen, zu Spalten, dann komplett und schaute mich um.Wir alle befanden uns im Auflieger eines LKWs, einem großen Achtachser. Ich konnte die Radkästenin regelmäßigen Abständen über die gesamte Länge erkennen. Der Auflieger war zu einer Art mobilerKommandozentrale mit Gefängnis umfunktioniert. Entlang der Wände standen Stahltische, darüberschicke Flachbildschirme an Schwenkarmen, mit denen die Benutzer die Schirme im Halbkreis umsich herum anordnen konnten. Vor jedem Tisch stand ein Wahnsinns-Bürostuhl mit genug Reglern,um jeden Millimeter der Sitzfläche einzeln zu verstellen, Höhe und Neigung in jeder Achse sowieso.Dann war da noch der Gefängnisbereich – vorn im Truck, möglichst weit weg von den Türen, warenStahlschienen an den Wänden befestigt, und an diese Schienen hatte man die Gefangenen angekettet.Van und Jolu entdeckte ich sofort. Mag sein, dass Darryl sich unter dem übrigen Dutzend dort hintenbefand, aber das war nicht zu erkennen – einige von ihnen lagen übereinander und versperrten mir dieSicht. Es stank nach Schweiß und nach Angst hier hinten.Vanessa blickte mich an und biss sich auf die Lippe. Sie hatte Angst. Ich auch. Und Jolu auch, derseine Augen wie wild verdrehte, dass man ständig das Weiße sah. Ich hatte Angst. Und außerdemmusste ich pissen wie ein Rennpferd.Ich schaute mich nach unseren Kidnappern um. Bislang hatte ich es vermieden, sie anzuschauen, ganzso, wie man es vermeidet, in einen dunklen Schrank zu schauen, wenn man sich grade ausgedacht hat,dass da drin ein Monster lauert. Dann will man einfach nicht wissen, ob man Recht hat.Aber ich musste mir diese Kerle, die uns gekidnappt hatten, jetzt mal genauer anschauen. Wenn esTerroristen waren, wollte ich das wissen. Ich wusste allerdings nicht, wie Terroristen aussahen,obwohl Fernseh-Shows sich alle Mühe gegeben hatten, mir beizupulen, dass es braune Araber mitdichten Bärten, Strickmützen und schlabbrigen Baumwollkutten bis runter zu den Knöcheln waren.Unsere Kidnapper sahen nicht so aus. Die hätten ebenso gut Cheerleader in der Halbzeitpausen-Showbeim Super Bowl sein können. Sie sahen auf eine Art amerikanisch aus, die ich nicht rechtbeschreiben konnte. Ausgeprägte Kiefer, kurze, ordentliche Haarschnitte, aber nicht wirklichmilitärisch. Es waren Weiße und Farbige dabei, Männer und Frauen, und sie lächelten sichunbeschwert an, wie sie da am anderen Ende des Lasters zusammensaßen, witzelten und Kaffee ausPappbechern tranken. Ne, das waren keine Fundis aus Afghanistan: Sie sahen aus wie Touris ausNebraska.Ich fixierte die eine, eine junge Brünette, kaum älter als ich und auf so eine abweisende Business-Artirgendwie süß. Wenn du jemanden lange genug anstarrst, guckt er dich irgendwann auch an. Sie auch;und sofort nahm ihr Gesicht einen völlig anderen Ausdruck an: leidenschaftslos, wie eine Maschine.Das Lächeln war wie ausgeknipst.„Hey“, sagte ich, „wissen sie, ich kapier nicht, was hier abgeht, aber ich muss mal pinkeln, ja?“Sie guckte durch mich durch, als hätte sie kein Wort gehört.„Echt jetzt, wenn ich nicht bald ein Klo finde, gibts hier einen bösen Unfall. Dann wird’s hier hintenziemlich übel riechen, okay?“Sie drehte sich zu ihren Kollegen um, sie steckten die Köpfe zusammen und tuschelten miteinander,so leise, dass es über die Lüfter der Computer nicht zu verstehen war.Dann wandte sie sich wieder zu mir um. „Halt mal noch zehn Minuten an, dann dürft ihr alle malaustreten.“„Ich glaub nicht, dass ichs noch zehn Minuten halten kann“, sagte ich und legte etwas mehrDringlichkeit in meine Stimme, als ich tatsächlich empfand. „Ehrlich, gute Frau, jetzt oder nie.“Sie schüttelte den Kopf und guckte mich an, als wär ich der totale Versager. Sie und ihre Freundeberieten sich noch mal, dann kam ein anderer auf mich zu. Er war älter, vielleicht Anfang Dreißig,20
und mächtig breit in den Schultern wie ein Bodybuilder. Er sah wie ein Chinese oder Koreaner aus –nicht mal Van kann das immer unterscheiden –, aber mit einer Haltung, die „Amerikaner“ ausdrückte,ohne dass ich das genauer hätte beschreiben können.Er schob seine Sportjacke nach hinten und ließ mich nen Blick auf seine Hardware am Gürtel werfen.Ich erkannte eine Pistole, einen Elektroschocker und eine Dose mit Tränengas oder Pfefferspray,bevor er die Jacke wieder drüberfallen ließ.„Keinen Ärger“, sagte er.„Kein Stück“, stimmte ich ihm zu.Er berührte irgendwas an seinem Gürtel, die Fesseln hinter mir gaben nach, und meine Arme fielenplötzlich zur Seite. Mann, der Typ schien Batmans Gimmickgürtel zu tragen: Funkfernsteuerung fürFesseln! War aber auch logisch irgendwie: Mit all dem tödlichen Geraffel am Gürtel würde man sichja nicht über seine Gefangenen beugen wollen – die waren im Stande, sich die Wumme mit denZähnen zu schnappen und mit der Zunge den Abzug zu ziehen oder so.Meine Hände waren immer noch mit so Plastikhandschellen hinter meinem Rückenzusammengebunden, und als ich jetzt nicht mehr von den Fesseln gehalten wurde, stellte ich fest, dasssich meine Beine durch das lange Kauern in einer Position in Korkklumpen verwandelt hatten. KurzerSinn: Ich knallte nach vorn aufs Gesicht und zappelte mit den Beinen, die kribbelten wie bescheuert,um sie unter meinen Körper zu bekommen und mich auf die Füße stemmen zu können.Der Typ riss mich auf die Füße, und ich wackelte ganz ans Ende des Trucks zu einer kleinenKlokabine. Auf dem Weg versuchte ich Darryl zu entdecken, aber es hätte jeder von den fünf, sechshingesackten Leuten sein können. Oder keiner.„Rein da“, sagte der Typ.Ich zog an meinen Handgelenken. „Könnten Sie die abnehmen, bitte?“ Meine Finger fühlten sichnach Stunden der Fesselung an wie lila Würste.Der Typ rührte sich nicht.„Schaun sie mal“, sagte ich und bemühte mich, weder sarkastisch noch wütend zu klingen (was nichtleicht war). „Schaun Sie, Sie müssen entweder meine Hände losschneiden, oder Sie zielen für mich.Ein Toilettenbesuch ist nichts, was sich freihändig bewältigen ließe.“ Irgendjemand im Truck kicherte.Der Typ mochte mich nicht, das konnte ich daran sehen, wie seine Kiefermuskeln arbeiteten. Mann,diese Leute waren verdammt hart.Er griff zum Gürtel und brachte ein sehr cooles Multiwerkzeug zum Vorschein. Dann klappte er einfies aussehendes Messer aus, schnitt die Plastik-Handschellen durch, und meine Hände gehörtenwieder mir.„Danke“, sagte ich.Er schubste mich in die Kabine. Meine Hände konnte ich nicht gebrauchen, die fühlten sich an wieLehmklumpen an den Handgelenken. Als ich die schlaffen Finger ein bisschen bewegte, kribbeltensie; dann wurde das Kribbeln zu einem Brennen, dass ich fast anfing zu weinen. Ich klappte den Sitzrunter, zog die Hose runter und setzte mich hin. Ich hätte nicht drauf gewettet, stehen bleiben zukönnen.Als sich meine Blase erleichterte, tatens meine Augen ihr gleich. Ich weinte. Still heulte ich vor michhin und kippelte auf dem Klositz, während mir Tränen und Rotz die Wangen runterliefen. Das einzige,was mir blieb, war lautes Schluchzen zu unterdrücken – ich hielt mir die Hand vor den Mund und ließkeinen Ton raus. Diese Genugtuung wollte ich ihnen nicht gönnen.Irgendwann war ich mit Pinkeln und Heulen fertig, und der Typ hämmerte gegen die Tür. MitBündeln von Klopapier säuberte ich mein Gesicht, so gut es eben ging, stopfte alles ins Klo undspülte; dann suchte ich ein Waschbecken, fand aber bloß eine Pumpflasche mit starker21
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dass sie mich abgefangen haben, ist
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Das würde absolut klappen! Jolu, d
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„Traut keinem über 25!“Sie sch
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Und dann fiel der Nebel vom Himmel.
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„Heilige Scheiße!“ Das war wir
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meinten wir, holt euch Amerika zur
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verliert eure Freiheit und eure Fre
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edroht ist. Wir sitzen jetzt im Ret
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ennen, brennen, brennen wie sagenha
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mit Schraubenziehern auseinananderg
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Angelegenheit, als gestern abend Na
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zurechtzufinden, und gelegentlich d
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Gegen elf Uhr hatte ich genug. Auß
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Ich hatte Glück. Niemand verhaftet
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-----Ange und ich sprachen vier Tag
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Darryl erzählte mir, dass sie ihm
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lebten. Es war neblig um Twin Peaks
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Mom nickte. „Du wirst gleich vers
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Ursprung des Xnet darstellen. ‚Si
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Kapitel 19Dieses Kapitel ist dem MI
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Um mich herum fielen Hunderte Vampi
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Wir liefen weiter Market Street hoc
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Ich kam wieder auf die Beine. Alles
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Ich schluckte. Ich fühlte Knochen
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Quarter aus meiner Tasche und polie
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„Hört mal, ich muss jetzt sofort
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gemeldet, zu meiner Armee. Ich war
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Alles, woran ich denken konnte, war
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„Er schläft“, sagte er. „Vor
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Der Gouverneur breitete die Arme au
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Risikokapitalgeber saßen, um eine
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Nachwort des ÜbersetzersIm 13. Kap