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Kleines Lehrbuch der Astronomie und Astrophysik - Astronomie.de

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Venus<br />

dünnflüssige Laven, die über Lavakanäle abflossen o<strong><strong>de</strong>r</strong> riesige „Überschwemmungsgebiete“ in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

unmittelbaren Nähe <strong><strong>de</strong>r</strong> diese Laven för<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong>de</strong>n Schildvulkanen ausbil<strong>de</strong>ten. Die<br />

Magmaproduktionsrate dürfte während <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit <strong>de</strong>s Maximums <strong><strong>de</strong>r</strong> vulkanischen Tätigkeit ungefähr<br />

25x größer gewesen sein als in <strong>de</strong>n letzten 100-300 Millionen Jahren. Ob es sich bei diesem<br />

Oberflächenerneuerungsprozeß um ein planetenumspannen<strong>de</strong>s katastrophales Ereignis gehan<strong>de</strong>lt hat<br />

(das sich vielleicht sogar alle 500 - 1000 Millionen Jahre wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holt) o<strong><strong>de</strong>r</strong> ob die vulkanischen<br />

Tätigkeit über einen längeren Zeitraum hinweg <strong>de</strong>gressiv abnahm (wobei die einzelnen<br />

Aktivitätsepiso<strong>de</strong>n mehr lokaler Natur waren), ist noch nicht völlig klar. Bei<strong>de</strong> Szenarien lassen sich<br />

mit <strong>de</strong>m Bef<strong>und</strong> einer zufälligen Impaktkraterverteilung in Übereinstimmung bringen.<br />

Beim Standardmo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>s Resurfacing-Prozesses wird von einem katastrophalen Ereignis<br />

ausgegangen, welches <strong>de</strong>n gesamten Planeten umfaßte. Es zeichnet sich durch eine rapi<strong>de</strong> Zunahme<br />

von Mantelplumes aus, welche die Oberfläche erreichten <strong>und</strong> dort einen intensiven Vulkanismus<br />

auslösten. Als Ursache erscheint eine kontinuierliche Erhöhung <strong><strong>de</strong>r</strong> potentiellen Manteltemperatur als<br />

wahrscheinlich (TURCOTTE et. al. 1999). Dabei versteht man unter <strong><strong>de</strong>r</strong> potentiellen Manteltemperatur<br />

die Temperatur, welche die Mantelgesteine hätten, wür<strong>de</strong> man <strong>de</strong>n Druck vom aktuellen Wert auf Null<br />

reduzieren, ohne daß diese Gesteine schmelzen wür<strong>de</strong>n. Die Ursache für diese Temperaturerhöhung<br />

liegt darin begrün<strong>de</strong>t, daß über die Wärmeleitung durch die Lithosphäre weniger Energie abgeführt<br />

wird, als im Planeteninneren durch radioaktive Zerfälle erzeugt wird. Erreicht die potentielle<br />

Manteltemperatur einen kritischen Wert (er liegt ca. 100-200 K über <strong>de</strong>n Standardwert von 1300 °C),<br />

dann beginnt von Innen heraus die starre Lithosphäre aufzuschmelzen (globale Subduktion) <strong>und</strong> es<br />

entstehen an <strong><strong>de</strong>r</strong> Phasengrenze Blasen verflüssigten Gesteins, die aufgr<strong>und</strong> ihrer geringeren Dichte<br />

nach oben steigen <strong>und</strong> irgendwann die Oberfläche erreichen. Dort kommt es dann zu Aufwölbungen<br />

mit <strong>de</strong>n typischen Rißbildungen, wie man sie bei <strong>de</strong>n Coronae, Arachnoi<strong>de</strong>n <strong>und</strong> verwandten Objekten<br />

beobachtet, o<strong><strong>de</strong>r</strong> zu Spalteneruptionen, die mit einer För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung riesiger Mengen von Flutbasalten<br />

verb<strong>und</strong>en sind. Diese Flutbasalte können ganze niedrig gelegene Gebiete mit kilometerdicken<br />

Gesteinsschichten über<strong>de</strong>cken <strong>und</strong> so riesige ebene Areale bil<strong>de</strong>n (Planitia).<br />

Über bestimmten „hot spots“ entstan<strong>de</strong>n größere <strong>und</strong> kleinere Schildvulkane, wie man sie (wenn auch<br />

nicht ganz so mächtig) von <strong><strong>de</strong>r</strong> Er<strong>de</strong> her kennt (Hawaii). Auch sie sind in <strong><strong>de</strong>r</strong> Lage, über einen<br />

gewissen Zeitraum hinweg große Mengen dünnflüssiger Laven zu för<strong><strong>de</strong>r</strong>n, <strong><strong>de</strong>r</strong>en eingestürzte<br />

Abflußkanäle man heute teilweise über viele 100 km weit auf <strong>de</strong>n Radaraufnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Magellanson<strong>de</strong><br />

verfolgen kann. Magmablasen können sich aber auch plötzlich entleeren, sobald ihre Decken instabil<br />

wer<strong>de</strong>n <strong>und</strong> zusammenbrechen. Solche einstürzen<strong>de</strong> Magmablasen bezeichnet man auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Er<strong>de</strong> als<br />

„Supervulkane“ (z.B. Yellowstone). Sie hinterlassen nach ihrem Ausbruch riesige Einsturzkrater, die<br />

man als Cal<strong><strong>de</strong>r</strong>en bezeichnet. Stürzen leere Magmakammern im Gipfelbereich von Vulkanen ein, dann<br />

spricht man von Gipfelcal<strong><strong>de</strong>r</strong>en. Auch sie sind in großer Zahl auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Venus zu fin<strong>de</strong>n.<br />

Alle diese vulkanischen Ereignisse wer<strong>de</strong>n von einer Vielzahl tektonischer Vorgänge begleitet, die zu<br />

Rissen, Brüchen, Verformungen <strong>und</strong> Verwerfungen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Venuskruste führen. Sie lassen i.d.R. sich<br />

sehr gut auf <strong>de</strong>n Venusaufnahmen <strong><strong>de</strong>r</strong> Magellan-Kartierung i<strong>de</strong>ntifizieren.<br />

Die Gesamtheit dieser eben beschriebenen Prozesse führen zu einer Erhöhung <strong>de</strong>s Wärmeflusses an<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Venusoberfläche, was effektiv einer Mantelkühlung gleichkommt. Die potentielle<br />

Manteltemperatur sinkt daraufhin langsam auf ihren Standardwert <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> „hot spot“-Vulkanismus<br />

beginnt allmählich zu erlöschen. Die Kruste verdickt sich wie<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>und</strong> umschließt <strong>de</strong>n konvektiven<br />

Mantel wie eine Thermoskanne <strong>und</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Prozeß <strong><strong>de</strong>r</strong> Mantelaufheizung kann von neuem beginnen.<br />

Dieses Szenario erklärt <strong>de</strong>n Vorgang <strong>de</strong>s Resurfacing als periodisches Phänomen, von <strong>de</strong>nen wir<br />

jedoch nur die Ergebnisse <strong><strong>de</strong>r</strong> letzten Episo<strong>de</strong> beobachten können.<br />

Neben <strong>de</strong>m Standardmo<strong>de</strong>ll wer<strong>de</strong>n in letzter Zeit auch modifizierte <strong>und</strong> z.T. auch völlig an<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />

Theorienansätze diskutiert, um die Oberflächenerneuerungsprozesse auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Venus zu erklären. Zur<br />

ersten Gruppe gehören Theorien zur Mantelkonvektion, die entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> von einer konvektiven Schicht<br />

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