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Diaspora und Migranten gemeinschaften aus der Türkei in der ...

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Diese Verhaltensweise geht auf e<strong>in</strong>e jahrh<strong>und</strong>ertelange<br />

Unterdrückungserfahrung<br />

<strong>und</strong> Abstempelung als «Ungläubige» im<br />

Osmanischen Reich <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkischen<br />

Republik zurück. Erst <strong>in</strong> den 1980er-Jahren<br />

begannen sich die Aleviten gegen die Diskrim<strong>in</strong>ierung<br />

zu wehren <strong>und</strong> sich für ihre<br />

alevitische Identität <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Türkei</strong> <strong>und</strong> im<br />

Ausland verstärkt e<strong>in</strong>zusetzen (Sökefeld<br />

2008).<br />

Religiöse Praxis<br />

Zahlreiche Aleviten verstehen das Alevitentum<br />

nicht unbed<strong>in</strong>gt als e<strong>in</strong>e religiöse<br />

Praxis, son<strong>der</strong>n als e<strong>in</strong>e Philosophie o<strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>e Kultur. Kern <strong>der</strong> alevitischen Gr<strong>und</strong>überzeugungen<br />

ist e<strong>in</strong> spezifisches Menschen-<br />

<strong>und</strong> Gottesbild. Gott ist im Menschen<br />

selbst zu suchen <strong>und</strong> nicht <strong>in</strong> etwas<br />

Aussermenschlichem. Die Aleviten gehen<br />

von <strong>der</strong> E<strong>in</strong>heit von Gott <strong>und</strong> <strong>der</strong> Schöpfung<br />

<strong>aus</strong>, wor<strong>aus</strong> sich <strong>der</strong> Respekt für die<br />

gesamte Schöpfung <strong>und</strong> die Gleichheit aller<br />

Menschen ableiten (Sökefeld 2008).<br />

Im Zentrum des alevitischen (wie auch<br />

des schiitischen) Glaubens steht Ali, <strong>der</strong><br />

Schwiegersohn des Propheten Mohammed,<br />

<strong>der</strong> – an<strong>der</strong>s als im sunnitischen<br />

Glauben – als dessen Nachfolger betrachtet<br />

wird. Ali wird als Inkarnation des göttlichen<br />

Lichts verstanden (Ammann 2001).<br />

Neben schiitisch-islamischen Elementen<br />

gehören zum Alevitentum auch sufistische,<br />

frühchristliche <strong>und</strong> schamanistische Elemente.<br />

Das Befolgen fester Rituale ist dabei<br />

weniger zentral. E<strong>in</strong>ige <strong>der</strong> fünf Säulen des<br />

Islam, wie zum Beispiel das fünfmalige tägliche<br />

Beten, das Fasten im Monat Ramadan<br />

(die Aleviten haben ihre eigene zwölftägige<br />

Fastenzeit) <strong>und</strong> die Pilgerreise nach Mekka,<br />

sehen sie nicht als verb<strong>in</strong>dlich an (Beyeler<br />

<strong>und</strong> Suter 2008; Sökefeld 2008).<br />

Bei <strong>der</strong> alevitischen Praxis steht <strong>der</strong> Cem<br />

im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong>. Cem bedeutet Kreis o<strong>der</strong><br />

R<strong>in</strong>g <strong>und</strong> ist e<strong>in</strong>e religiöse <strong>und</strong> soziale Versammlung<br />

bzw. e<strong>in</strong> Ritual, das ungefähr<br />

e<strong>in</strong>mal im Jahr abgehalten wird. Die religiösen<br />

Führer bei den Aleviten werden Dede<br />

genannt. Sie leiten die Rituale, kontrollieren<br />

die E<strong>in</strong>haltung sozialer <strong>und</strong> moralischer<br />

Normen <strong>und</strong> s<strong>in</strong>d für die Überlieferung <strong>der</strong><br />

Religion zuständig (Sökefeld 2008: 12).<br />

Frauen <strong>und</strong> Männer nehmen geme<strong>in</strong>sam<br />

am Ritual teil. Sie sitzen im Kreis <strong>und</strong> richten<br />

sich nicht wie die Sunniten nach Mekka<br />

<strong>aus</strong>. Musik, Gedicht, Gebet <strong>und</strong> Tanz s<strong>in</strong>d<br />

wichtige Bestandteile des Rituals. Zum Abschluss<br />

wird jeweils e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames Mahl<br />

geteilt, zu dem oftmals je<strong>der</strong> <strong>und</strong> jede etwas<br />

beiträgt (Beyeler <strong>und</strong> Suter 2008; Sökefeld<br />

2008).<br />

Bezüglich spezieller Speisevorschriften ist<br />

es den Aleviten im Gegensatz zu den Sunniten<br />

erlaubt, Alkohol zu tr<strong>in</strong>ken. Auch <strong>der</strong><br />

Verzehr von Schwe<strong>in</strong>efleisch ist möglich.<br />

H<strong>in</strong>gegen essen Aleviten traditionsgemäss<br />

oftmals ke<strong>in</strong> Hasenfleisch. Die Frauen tragen<br />

tendenziell ke<strong>in</strong> Kopftuch o<strong>der</strong> nur e<strong>in</strong><br />

traditionelles, lose geb<strong>und</strong>enes Kopftuch<br />

<strong>und</strong> auch sonst ke<strong>in</strong>e Klei<strong>der</strong>, die auf ihre<br />

Kultur o<strong>der</strong> Religion h<strong>in</strong>weisen würden<br />

(Ammann 2001).<br />

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