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Diaspora und Migranten gemeinschaften aus der Türkei in der ...

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treiben <strong>und</strong> die weitgehend durch islamische<br />

Traditionen geprägte Gesellschaft von<br />

oben reformieren (Akkaya et al. 1998).<br />

Mustafa Kemals Ziel war es, e<strong>in</strong>e «Kulturrevolution»<br />

<strong>in</strong> Gang zu setzen. Se<strong>in</strong>e Ideologie<br />

<strong>und</strong> Staatsdoktr<strong>in</strong> wurde dabei als Kemalismus<br />

bekannt <strong>und</strong> ist nach wie vor e<strong>in</strong><br />

zentrales <strong>und</strong> fast unantastbares Element<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> türkischen Politik. Den Besuchern<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Türkei</strong> wird auffallen, dass Atatürks<br />

Porträt auch heute noch generell <strong>in</strong> allen<br />

öffentlichen Gebäuden wie Schulhäusern,<br />

Flughäfen o<strong>der</strong> Krankenhäusern sowie <strong>in</strong><br />

Restaurants, Läden, Privatschulen etc. anzutreffen<br />

ist (Van Gent 2008).<br />

Die von Atatürk e<strong>in</strong>geleiteten tief greifenden<br />

Reformen setzten an verschiedenen<br />

Punkten an. Die islamische Glaubensrichtung<br />

<strong>der</strong> Sunniten wurde zur türkischen<br />

Staatsreligion erklärt, gleichzeitig die Religion<br />

weitgehend <strong>in</strong> die Privatsphäre verbannt;<br />

<strong>und</strong> die religiösen Institutionen<br />

wurden <strong>der</strong> strikten staatlichen Kontrolle<br />

unterstellt. Zweitens wurden Reformen des<br />

Rechtssystems umgesetzt, wie beispielsweise<br />

1926 die E<strong>in</strong>führung des Schweizer<br />

Zivilrechts, was u.a. die Abschaffung <strong>der</strong><br />

Polygamie bedeutete. Zudem erhielten<br />

Frauen das Wahlrecht – noch lange vor<br />

dessen E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> den meisten europäischen<br />

Län<strong>der</strong>n <strong>und</strong> <strong>der</strong> Schweiz. Drittens<br />

kam es zu kulturpolitischen Reformen im<br />

Bereich <strong>der</strong> Sprache <strong>und</strong> <strong>der</strong> Schrift. Die<br />

late<strong>in</strong>ische Schrift ersetzte fortan die arabische,<br />

um e<strong>in</strong>en «endgültigen Bruch mit <strong>der</strong><br />

osmanischen Vergangenheit herbeizuführen»<br />

(Van Gent 2008; Akkaya et al. 1998).<br />

Mustafa Kemals M<strong>in</strong>isterpräsident Ismet<br />

Inönü sah zudem die Hauptaufgabe <strong>der</strong><br />

Regierung dar<strong>in</strong>, «jede Person <strong>in</strong> diesem<br />

Land um jeden Preis zu e<strong>in</strong>em Türken zu<br />

machen» (Inönü, zitiert <strong>in</strong> Van Gent 2008).<br />

Dies zeigt sich unter an<strong>der</strong>em <strong>in</strong> <strong>der</strong> türkischen<br />

Sprachpolitik. So ist auch heute<br />

noch ke<strong>in</strong>e Sprache <strong>aus</strong>ser Türkisch als<br />

Erziehungs- <strong>und</strong> Bildungssprache <strong>in</strong> den<br />

öffentlichen Schulen zugelassen, <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Gebrauch an<strong>der</strong>er Sprachen bleibt im öffentlichen<br />

Raum e<strong>in</strong>geschränkt.<br />

Diese Politik <strong>der</strong> Homogenisierung <strong>der</strong> Bevölkerung<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Türkei</strong> wi<strong>der</strong>sprach <strong>der</strong><br />

kulturell <strong>und</strong> religiös vielfältigen Gesellschaftsstruktur<br />

<strong>und</strong> führte zum Wi<strong>der</strong>stand<br />

verschiedener Bevölkerungsgruppen.<br />

Die erste Rebellion von kurdischen Stämmen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Türkei</strong> brach 1925 <strong>aus</strong> <strong>und</strong><br />

wurde von e<strong>in</strong>em religiösen Führer, Scheich<br />

Said, angeführt. Dieser Protest richtete sich<br />

gegen die Türkisierung <strong>und</strong> die Kontrolle<br />

<strong>der</strong> Religion durch den Staat. Die Aufständischen<br />

wurden von den staatlichen Truppen<br />

besiegt, <strong>und</strong> es folgte e<strong>in</strong>e Politik <strong>der</strong><br />

Abschreckung (Akkaya et al. 1998).<br />

Zwischen 1920 <strong>und</strong> 1930 rebellierten die<br />

Kurden 16 Mal gegen den türkischen Staat<br />

<strong>und</strong> wurden jedes Mal besiegt. Der letzte<br />

grosse Aufstand fand <strong>in</strong> den 1930er-Jahren<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Prov<strong>in</strong>z Dersim (Türkisch Tunceli)<br />

statt. Danach leugnete die Regierung lange<br />

Zeit die Existenz e<strong>in</strong>es kurdischen Volkes <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Türkei</strong> <strong>und</strong> nannte die Kurden stattdessen<br />

«Bergtürken». Der kurdische Nationalismus<br />

<strong>und</strong> Wi<strong>der</strong>stand lebte <strong>in</strong> den<br />

1980er-Jahren durch die Gründung <strong>der</strong><br />

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