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Diaspora und Migranten gemeinschaften aus der Türkei in der ...

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Bevölkerung auf. Die Befürchtung, dass <strong>der</strong><br />

Islam an E<strong>in</strong>fluss gew<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> fortan die<br />

gesellschaftlichen Strukturen bestimmen<br />

würde, war <strong>und</strong> ist heute noch gross.<br />

2007 kam es zu e<strong>in</strong>em Kräftemessen zwischen<br />

<strong>der</strong> kemalistischen Führungsschicht<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> neuen, aufstrebenden AKP-Regierung.<br />

Der Auslöser war die Wahl des<br />

AKP-Politikers Abdullah Gül zum Staatspräsidenten,<br />

die sehr umstritten war, u.a.<br />

weil se<strong>in</strong>e Ehefrau e<strong>in</strong> Kopftuch trägt. Im<br />

Vorfeld <strong>der</strong> Wahl hatte die kemalistisch<br />

geprägte Armeeführung auf ihrer Website<br />

mit e<strong>in</strong>em allgeme<strong>in</strong> als Putschdrohung<br />

verstandenen Memorandum vor <strong>der</strong> Wahl<br />

Güls zum Präsidenten gewarnt.<br />

Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen<br />

am 22. Juli 2007 erhielt die AKP mit 46,6 %<br />

fast die Hälfte aller Stimmen, was ihre Position<br />

als alle<strong>in</strong>ige Regierungspartei stärkte<br />

(Van Gent 2008).<br />

Der Streit um die Verschleierung des weiblichen<br />

Körpers ist e<strong>in</strong> Beispiel für die Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />

verschiedener Ideologien <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Türkei</strong>. Bereits seit e<strong>in</strong>em Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

nimmt die Frage des Kopftuches e<strong>in</strong>en<br />

wichtigen Stellenwert <strong>in</strong> gesellschaftlichen<br />

<strong>und</strong> politischen Diskussionen e<strong>in</strong>. Sie<br />

sche<strong>in</strong>t mit e<strong>in</strong>er gr<strong>und</strong>sätzlichen Identitätsfrage<br />

verb<strong>und</strong>en zu se<strong>in</strong>: Ist Anatolien<br />

e<strong>in</strong> Teil <strong>der</strong> orientalischen Welt o<strong>der</strong> gehört<br />

es kulturell zu Europa?<br />

Im Februar 2008 wurde durch e<strong>in</strong>e Än<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> Verfassung durch die regierende<br />

AK-Partei das geltende Kopftuchverbot an<br />

den Hochschulen vom Parlament aufgeho-<br />

ben, um Kopftuch tragenden Muslim<strong>in</strong>nen<br />

den Zugang zu universitären E<strong>in</strong>richtungen<br />

zu ermöglichen. Dies löste bei den laizistisch<br />

<strong>und</strong> kemalistisch orientierten Bürgern<br />

<strong>der</strong> <strong>Türkei</strong> Ängste vor e<strong>in</strong>er schleichenden<br />

Islamisierung <strong>und</strong> e<strong>in</strong>er Missachtung <strong>der</strong><br />

kemalistischen Pr<strong>in</strong>zipien <strong>aus</strong>. Gerade auch<br />

Frauen <strong>in</strong> höheren Positionen, so zum Beispiel<br />

Staatsangestellte, Lehrer<strong>in</strong>nen o<strong>der</strong><br />

Professor<strong>in</strong>nen, lehnten die Än<strong>der</strong>ungen<br />

ab.<br />

Am 6. Juni 2008 stellte das Verfassungsgericht<br />

durch das Aufheben <strong>der</strong> Kopftuchreform<br />

von Regierung <strong>und</strong> Parlament wie<strong>der</strong><br />

den ursprünglichen Zustand her. Das Kopftuchverbot<br />

an den Universitäten besteht<br />

somit weiterh<strong>in</strong> (Van Gent 2008), obwohl<br />

die Bevölkerung zu 98 % muslimisch ist<br />

<strong>und</strong> nach neusten Umfragen zwei Drittel<br />

<strong>der</strong> Frauen e<strong>in</strong> Kopftuch tragen (Van Gent<br />

2008).<br />

Am 31. März 2008 wurde vom türkischen<br />

Verfassungsgericht e<strong>in</strong> Verbotsverfahren<br />

gegen die AKP e<strong>in</strong>geleitet. Begründet<br />

wurde das Verfahren damit, dass die Partei<br />

e<strong>in</strong> «Zentrum antilaizistischer Aktivitäten»<br />

geworden sei. Der Generalstaatsanwalt<br />

for<strong>der</strong>te für 71 Personen e<strong>in</strong> Politikverbot,<br />

darunter Präsident Abdullah Gül, M<strong>in</strong>isterpräsident<br />

<strong>und</strong> Parteivorsitzen<strong>der</strong> Recep<br />

Tayyip Erdoğan <strong>und</strong> <strong>der</strong> ehemalige Parlamentspräsident<br />

Bülent Arınç. Am 30. Juli<br />

2008 wurde <strong>der</strong> Verbotsantrag abgelehnt.<br />

Somit darf die Partei weiterregieren, ihr<br />

wurde jedoch die staatliche f<strong>in</strong>anzielle Parteiunterstützung<br />

zu e<strong>in</strong>em grossen Teil versagt<br />

(NZZ, 31. Juli 2008).<br />

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