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Carlos Castaneda - Eine andere Wirklichkeit.do - Sapientia

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des Kriegers. Und wenn es darum geht, dein Versprechen zu erfüllen, dann mußt du<br />

dir bewußt sein, daß du es erfüllst. Dann wird die Zeit kommen, wo dein Warten<br />

vorbei ist und du dein Versprechen nicht mehr erfüllen mußt. Es gibt nichts, was du<br />

für das Leben dieses kleinen Jungen tun könntest. Nur er kann die Tat ungeschehen<br />

machen.«<br />

»Aber wie kann er das?«<br />

»Indem er lernt, seine Bedürfnisse auf ein Nichts zu reduzieren. Solange er glaubt,<br />

daß er ein Opfer war, wird sein Leben die Hölle sein. Und solange du dasselbe<br />

glaubst, wird dein Versprechen gültig sein. Was uns unglücklich macht, ist unser<br />

Begehren. Aber wenn wir lernen würden, unsere Bedürfnisse zu einem Nichts zu<br />

reduzieren, dann wäre die geringste Kleinigkeit, die wir erhalten, ein wahrhaftes<br />

Geschenk. Sei ruhig, du hast Joaquin ein gutes Geschenk gemacht. Arm oder<br />

bedürftig sein, ist nur ein Gedanke; genau wie hassen oder hungrig sein oder<br />

Schmerz leiden.«<br />

»Ich kann das wirklich nicht glauben, Don Juan. Wie können Hunger und Schmerz<br />

bloße Gedanken sein?« »Für mich sind es jetzt nur noch Gedanken. Das ist alles,<br />

was ich weiß. Das habe ich erreicht. Die Macht, das zu tun, ist das einzige, bedenke<br />

es, was wir den Kräften unseres Lebens entgegensetzen können. Ohne diese Macht<br />

sind wir Spreu, Staub im Wind.«<br />

»Ich bezweifle nicht, daß du es getan hast, Don Juan, aber wie kann ein einfacher<br />

Mensch wie ich oder der kleine Joaquin das erreichen?«<br />

»Es bleibt jedem einzelnen von uns überlassen, den Kräften unseres Lebens<br />

Widerstand zu leisten. Ich habe es dir unzählige Male gesagt: Nur ein Krieger kann<br />

überleben. Ein Krieger weiß, daß er wartet und worauf er wartet. Und während er<br />

wartet, begehrt er nichts, und so ist das Geringste, was er erhält, mehr als er<br />

annehmen kann. Wenn er essen muß, dann findet er eine Möglichkeit, weil er nicht<br />

hungrig ist; wenn seinem Körper etwas zustößt, dann findet er Abhilfe, weil er keine<br />

Schmerzen spürt. Hungrig sein oder Schmerz leiden bedeutet nur, daß der Mann<br />

sich aufgegeben hat und nicht mehr ein Krieger ist, und dann werden die Kräfte<br />

seines Hungers und der Schmerzen ihn zerstören.« Ich wollte noch länger darüber<br />

reden, aber ich merkte, daß ich durch das Reden nur eine Barriere schuf, um mich<br />

gegen die niederschmetternde Wirkung Don Juans überwältigender Kraftleistung zu<br />

schützen, die mich so tief und mit solcher Macht angerührt hatte. Woher wußte er<br />

es? Hatte ich ihm die Geschichte mit dem knopfnasigen Jungen vielleicht in einem<br />

Seite 124

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