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Carlos Castaneda - Eine andere Wirklichkeit.do - Sapientia

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eines Schauspielers.« »Dann muß alles, was du tust, kontrollierte Torheit sein«,<br />

sagte ich, ehrlich überrascht. »Ja, alles«, sagte er.<br />

»Aber es kann <strong>do</strong>ch nicht wahr sein«, wandte ich ein, »daß alle deine Handlungen<br />

nur kontrollierte Torheit sind.« »Warum nicht?« sagte er und sah mich geheimnisvoll<br />

an. »Das würde heißen, daß im Grunde nichts an dich herankommt und daß dir an<br />

keiner Sache und keiner Person wirklich liegt. Nimm mich, zum Beispiel. Willst du<br />

sagen, daß es dir egal ist, ob ich ein Wissender werde oder nicht, oder ob ich lebe<br />

oder sterbe oder sonst was tu?«<br />

»Richtig! So ist es. Du bist wie Lucio oder wie jeder <strong>andere</strong> in meinem Leben, meiner<br />

kontrollierten Torheit.«<br />

Ich hatte ein eigenartig leeres Gefühl. Selbstverständlich gab es keinen Grund,<br />

warum Don Juan etwas an mir liegen sollte, aber <strong>andere</strong>rseits war ich so gut wie<br />

sicher, daß er persönlich Anteil an mir nahm. Ich konnte es mir nicht anders<br />

vorstellen, da er mir immer seine ungeteilte Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Ich<br />

hatte den Verdacht, daß Don Juan dies vielleicht nur sagte, weil er sich über mich<br />

ärgerte. Immerhin hatte ich seine «Lehren abgebrochen.<br />

»Ich glaube, daß wir nicht über dasselbe sprechen«, sagte ich. »Ich hätte mich aus<br />

dem Spiel lassen sollen. Was ich sagen wollte, war, daß es irgend etwas auf der<br />

Welt geben muß, an dem dir in einer Weise liegt, die du nicht als kontrollierte Torheit<br />

bezeichnest. Ich glaube nicht, daß man weiterleben kann, wenn einem nichts<br />

nahegeht.«<br />

»Das trifft auf dich zu«, sagte er. »Dir gehen die Dinge nahe. Du hast mich nach<br />

meiner kontrollierten Torheit gefragt, und Ich habe dir geantwortet, daß alles, was ich<br />

in bezug auf mich und meine Mitmenschen unternehme, Torheit ist, weil nichts<br />

wichtig ist.«<br />

»Ich meine folgendes, Don Juan: wenn dir nichts nahegeht, wie kannst du dann<br />

weiterleben?«<br />

Er lachte, und nach einer kurzen Pause, während er zu überlegen schien, ob er mir<br />

antworten sollte, stand er auf und ging hinter das Haus. Ich folgte ihm.<br />

»Warte, Don Juan, warte«, rief ich. »Ich möchte es wirklich wissen. Du mußt mir<br />

erklären, was du meinst.« »Vielleicht kann man es nicht erklären«, sagte er. »Dir<br />

gehen bestimmte Dinge in deinem Leben nahe, weil sie wichtig sind. Deine<br />

Handlungen sind für dich sicher wichtig, aber für mich ist gar nichts mehr wichtig,<br />

weder meine Handlungen noch die Handlungen irgendeines meiner Mitmenschen.<br />

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