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Carlos Castaneda - Eine andere Wirklichkeit.do - Sapientia

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sehen lerne?«<br />

»Ich habe dir schon einmal gesagt, unser Los als Mensch ist es, zu lernen, im Guten<br />

wie im Schlechten«, sagte er. »Ich habe gelernt zu sehen, und ich sage dir, daß<br />

nichts wirklich wichtig ist. Jetzt bist du an der Reihe; vielleicht wirst du eines Tages<br />

sehen und wirst dann wissen, ob die Dinge wichtig sind oder nicht. Für mich ist nichts<br />

von Wichtigkeit, aber vielleicht wird für dich alles wichtig sein. Du solltest inzwischen<br />

wissen, daß ein Wissender lebt, indem er handelt, und nicht indem er über das<br />

Handeln nachdenkt, auch nicht indem er darüber nachdenkt, was er denken wird,<br />

wenn er seine Handlung beendet hat. Ein Wissender wählt den Weg mit Herz und<br />

folgt ihm; dann schaut er und freut sich und lacht; dann sieht er und weiß. Er weiß,<br />

daß sein Leben ohnehin gar zu bald enden wird. Er weiß, daß er, wie jeder <strong>andere</strong><br />

auch, nirgendwo hingeht. Weil er sieht, weiß er, daß nichts wichtiger ist als alles<br />

<strong>andere</strong>. Mit andern Worten, ein Wissender hat keine Ehre, keine Würde, keine<br />

Familie, keinen Namen, kein Land - sondern nur ein Leben, das er leben muß. Und<br />

unter diesen Bedingungen ist seine einzige Verbindung zu seinen Mitmenschen die<br />

kontrollierte Torheit. Darum müht sich ein Wissender und schwitzt und plagt sich ab,<br />

und wenn man ihn anschaut, dann ist er wie jeder gewöhnliche Mensch, nur daß er<br />

die Torheit seines Lebens unter Kontrolle hat. Da nichts wichtiger ist als alles <strong>andere</strong>,<br />

wählt der Wissende alle Handlungen und führt sie aus, als bedeuteten sie ihm etwas.<br />

Seine kontrollierte Torheit läßt ihn sagen, das, was er tut, bedeute etwas, und läßt<br />

ihn handeln, als sei das tatsächlich der Fall. Und <strong>do</strong>ch weiß er, daß dies nicht so ist.<br />

Wenn er daher sein Handeln beendet hat, zieht er sich in Frieden zurück und macht<br />

sich keinerlei Sorgen, ob seine Handlungen gut oder schlecht waren, ob sie ihm<br />

gelangen oder nicht. Andererseits kann ein Wissender auch beschließen,<br />

vollkommen teilnahmslos zu bleiben, nie zu handeln und sich so zu verhüllen, als sei<br />

es wirklich wichtig für ihn, teilnahmslos zu sein. Auch damit hat er vollkommen recht,<br />

denn auch dies wäre eine kontrollierte Torheit.«<br />

An diesem Punkt gab ich mir große Mühe, Don Juan zu erklären, daß ich mich sehr<br />

dafür interessierte zu erfahren, was einen Wissenden motivierte, in einer bestimmten<br />

Form zu handeln, obwohl er wußte, daß nichts von Bedeutung ist. Er schmunzelte,<br />

bevor er antwortete.<br />

»Du denkst über deine Handlungen nach, darum mußt du glauben, deine<br />

Handlungen seien so wichtig, wie sie dir vorkommen, während in <strong>Wirklichkeit</strong> nichts,<br />

was du tust, von Bedeutung ist. Nichts! Aber wenn nun nichts wirklich von Bedeutung<br />

Seite 75

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