Carlos Castaneda - Eine andere Wirklichkeit.do - Sapientia
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ist ebenfalls kontrollierte Torheit, weil es nutzlos ist. Es verändert nichts, und<br />
trotzdem tu ich es.«<br />
»Aber soviel ich verstehe, Don Juan, ist dein Lachen nicht nutzlos. Es macht dich<br />
glücklich.«<br />
»Nein, ich bin glücklich, weil ich mich entschlossen habe, Dinge anzuschauen, die<br />
mich glücklich machen, und dann erfassen meine Augen ihre lustige Seite, und ich<br />
muß lachen. Das habe ich dir unzählige Male gesagt. Man muß immer den Weg mit<br />
Herz finden, um es richtig zu machen — vielleicht kann man dann immer lachen.«<br />
Ich verstand das Gesagte so, als sei Weinen von geringerem Wert als Lachen, oder<br />
als sei es zumindest eine Handlung, die uns schwächt. Er versicherte mir, daß es in<br />
dieser Hinsicht keinen wesentlichen Unterschied gebe und daß beides unwichtig sei;<br />
er selbst bevorzuge das Lachen, weil er sich beim Lachen körperlich besser fühle als<br />
beim Weinen. An diesem Punkt wandte ich ein, daß bevorzugen und gleichsetzen<br />
einander ausschlössen; wenn er lieber lachte als weinte, dann sei das erstere<br />
tatsächlich wichtiger. Er blieb unbeirrt dabei, daß seine Vorliebe nicht ausschloß, daß<br />
sie gleich sind; und ich wandte ein, daß sein Standpunkt in letzter Konsequenz zu<br />
der Aussage führen müsse, daß man, wenn alle Dinge absolut gleich wären,<br />
genausogut den Tod wählen könnte.<br />
»Viele Wissende tun das auch«, sagte er. »<strong>Eine</strong>s Tages sind sie vielleicht einfach<br />
verschwunden. Die Leute mögen glauben, sie seien überfallen und für ihre Taten<br />
umgebracht worden. Sie wählen den Tod, weil er ihnen nichts bedeutet. Ich dagegen<br />
habe beschlossen zu leben und zu lachen, nicht weil es mir etwas bedeutet, sondern<br />
weil ich von Natur aus zu einer solchen Entscheidung veranlagt bin. Der Grund,<br />
warum ich sage, ich hätte mich entschlossen, ist der, daß ich sehe, aber das heißt<br />
nicht, daß ich beschlossen habe zu leben; mein Wille läßt mich weiterleben, trotz all<br />
dessen, was ich vielleicht sehe. Es mag sein, daß du mich jetzt nicht verstehst, weil<br />
du gewohnt bist, so zu denken wie du schaust und so zu schauen wie du denkst.«<br />
Das Gesagte befremdete mich zutiefst. Ich bat ihn, mir zu erklären, was er damit<br />
meinte. Er wiederholte den Satz mehrmals, als wolle er Zeit gewinnen, um ihn anders<br />
zu formulieren, und schließlich erklärte er, unter »Denken« verstehe er das feste Bild,<br />
das wir uns von allem in der Welt machen. Er sagte, das Sehen zerstöre diese<br />
Gewohnheit, und bevor ich nicht gelernt hätte zu sehen, könnte ich nicht wirklich<br />
verstehen, was er meinte.<br />
»Aber wenn nichts wichtig ist, Don Juan, warum sollte es dann wichtig sein, daß ich<br />
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