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Carlos Castaneda - Eine andere Wirklichkeit.do - Sapientia

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Er kochte eine Suppe, aber ich war nicht hungrig.<br />

Am nächsten Tag, am 9. November, ließ Don Juan mich nur eine Kleinigkeit essen<br />

und befahl mir, mich auszuruhen. Ich lag den ganzen Morgen herum, aber ich konnte<br />

mich nicht entspannen. Ich hatte keine Ahnung, was Don Juan vorhatte, aber noch<br />

schlimmer war, daß ich mir nicht einmal sicher war, was ich selbst vorhatte.<br />

Gegen drei Uhr nachmittag saßen wir unter seiner ramada. Ich war sehr hungrig. Ich<br />

hatte ein paarmal vorgeschlagen, wir sollten etwas essen, aber er hatte es<br />

abgelehnt. »Du hast jetzt drei Jahre lang deine Mixtur nicht zubereitet«, sagte er<br />

plötzlich. »Du wirst meine Mixtur rauchen müssen, also halten wir es so, als hätte ich<br />

sie für dich gesammelt. Du wirst nur eine Kleinigkeit brauchen. Ich werde die Pfeife<br />

einmal füllen. Du wirst sie ganz aufrauchen und dann ruhen. Dann wird der Wächter<br />

der <strong>andere</strong>n Welt kommen. Du brauchst nichts zu tun, als ihn beobachten.<br />

Beobachte, wie er sich bewegt. Beobachte alles, was er tut. Dein Leben könnte<br />

davon abhängen, wie gut du beobachtest.« Don Juan hatte seine Anweisungen so<br />

unvermittelt erteilt, daß ich nicht wußte, was ich sagen, nicht einmal, was ich denken<br />

sollte. <strong>Eine</strong>n Moment murmelte ich unzusammenhängendes Zeug. Ich konnte meine<br />

Gedanken nicht ordnen. Schließlich stellte ich die erste klare Frage, die mir in den<br />

Sinn kam. »Wer ist dieser Wächter?«<br />

Don Juan weigerte sich einfach, sich auf ein Gespräch einzulassen. Aber ich war zu<br />

nervös, um aufs Reden zu verzichten, und beharrte verzweifelt darauf, daß er mir<br />

etwas über den Wächter sagte.<br />

»Du wirst ihn sehen«, sagte er ruhig. »Er ist der Wächter der <strong>andere</strong>n Welt.«<br />

»Welcher Welt? Der Welt der Toten?«<br />

»Es ist nicht die Welt der Toten oder die Welt von irgend etwas. Es ist einfach eine<br />

<strong>andere</strong> Welt. Es hat keinen Sinn, dir davon zu erzählen. Sieh es selbst.«<br />

Damit ging Don Juan ins Haus. Ich folgte ihm in sein Zimmer.<br />

»Warte, Don Juan, warte. Was hast du vor?« Er antwortete nicht. Er nahm seine<br />

Pfeife, setzte sich auf die Strohmatte in der Mitte seines Zimmers und sah mich<br />

fragend an. Er schien auf meine Zustimmung zu warten. »Du bist ein Narr«, sagte er<br />

sanft. »Du hast keine Angst. Du behauptest nur, Angst zu haben.«<br />

Er schüttelte bedächtig den Kopf. Dann nahm er den kleinen Sack mit der<br />

Rauchmixtur und füllte die Pfeife. »Ich fürchte mich, Don Juan. Wirklich, ich fürchte<br />

mich.« »Nein, es ist nicht Furcht.«<br />

Verzweifelt versuchte ich, Zeit zu gewinnen und fing eine lange Diskussion über Art<br />

Seite 98

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