Carlos Castaneda - Eine andere Wirklichkeit.do - Sapientia
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fühlte ich mich besorgt und unruhig. Don Juan fand die Situation anscheinend<br />
äußerst komisch. Er lachte, bis ihm die Tränen kamen.<br />
»Erzähl mir nicht, daß du, wenn du sprechen sollst, nichts zu sagen weißt«, sagte er<br />
mit spöttischem Glitzern in den Augen.<br />
Seine gute Laune beruhigte mich.<br />
Im Augenblick interessierte mich nur ein Thema: der Verbündete. Sein Gesicht war<br />
mir so vertraut; es war nicht so, als hätte ich ihn gekannt oder schon einmal gesehen.<br />
Es war etwas <strong>andere</strong>s. Jedesmal, wenn ich mir sein Gesicht vorstellte, wurde mein<br />
Verstand von <strong>andere</strong>n Gedanken förmlich bombardiert, so als wisse ein Teil meiner<br />
selbst das Geheimnis, wolle es aber nicht zulassen, daß sich der Rest von mir ihm<br />
näherte. Die Empfindung, daß das Gesicht des Verbündeten mir vertraut war, war so<br />
unheimlich, daß ich in eine morbide Melancholie verfiel. Don Juan hatte gesagt, es<br />
habe das Gesicht meines Todes sein können. Ich glaube, diese Bemerkung ließ mich<br />
nicht los. Ich hatte den verzweifelten Wunsch, ihn danach zu fragen, aber ich war mir<br />
darüber im klaren, daß Don Juan versuchte, mich daran zu hindern. Ich machte ein<br />
paar tiefe Atemzüge und platzte dann mit der Frage heraus: »Was ist der Tod, Don<br />
Juan?«<br />
»Ich weiß es nicht«, sagte er lächelnd.<br />
»Ich meine, wie würdest du den Tod beschreiben? Ich möchte gern deine Meinung<br />
hören. Ich glaube, jeder hat eine bestimmte Ansicht über den Tod.«<br />
»Ich weiß nicht, wovon du sprichst.«<br />
Ich hatte das Tibetanische Totenbuch im Kofferraum meines Autos. Ich kam auf die<br />
Idee, es als Aufhänger für unser Gespräch zu benutzen, da es vom Tod handelte. Ich<br />
sagte, daß ich ihm daraus vorlesen wolle und versuchte aufzustehen. Er hieß mich<br />
sitzenbleiben und ging selbst hinaus, um das Buch zu holen.<br />
»Der Vormittag ist eine schlechte Zeit für Zauberer«, sagte er, um zu erklären,<br />
warum er nicht wollte, daß ich mich von der Stelle rührte. »Du bist zu schwach, um<br />
das Zimmer zu verlassen. Hier drinnen bist du geschützt. Wenn du jetzt<br />
hinausgingest, läufst du Gefahr, ein furchtbares Desaster zu erleben. Ein<br />
Verbündeter könnte dich auf der Straße oder im Gebüsch töten. Und später, wenn<br />
man deinen Körper findet, würde man glauben, daß du auf mysteriöse Art gestorben<br />
seist oder einen Unfall hattest.«<br />
Ich war nicht bereit oder in der Stimmung, seine Entscheidungen in Frage zu stellen,<br />
und so blieb ich fast den ganzen Morgen an Ort und Stelle, wobei ich ihm Abschnitte<br />
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