Carlos Castaneda - Eine andere Wirklichkeit.do - Sapientia
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ihm keine <strong>andere</strong> Möglichkeit, als ein Krieger zu werden.<br />
Aber sobald das Wissen zu einer furchterregenden Angelegenheit wird, erkennt der<br />
Mensch gleichzeitig, daß der Tod als unersetzlicher Partner neben ihm auf der Matte<br />
sitzt. Jedem Stück Wissen, das Macht wird, wohnt der Tod als zentrale Kraft inne.<br />
Der Tod gibt die letzte Prägung, und was vom Tod geprägt wird, verwandelt sich in<br />
wirkliche Macht. Ein Mann, der dem Weg der Zauberei folgt, ist bei jedem Schritt mit<br />
seiner drohenden Vernichtung konfrontiert, und so wird er sich unausweichlich seines<br />
Todes deutlich bewußt. Ohne das Bewußtsein des Todes wäre er nur ein normaler<br />
Mensch, der sich mit normalen Taten abgibt. Es würde ihm die notwendige Potenz,<br />
die notwendige Konzentration fehlen, die unsere alltägliche Zeit auf Erden in<br />
magische Macht verwandelt. Darum muß ein Mann, um ein Krieger zu sein, in erster<br />
Linie mit seinem Tod vertraut sein. Und das zu Recht. Die Furcht vor dem Tod zwingt<br />
jeden von uns, sich auf unser Selbst zu konzentrieren, und das schwächt uns. Das<br />
nächste, was ein Krieger braucht, ist daher das Losgelöstsein. Der Gedanke an den<br />
bevorstehenden Tod verliert dann alles Beängstigende und wird etwas<br />
Gleichgültiges.«<br />
Don Juan schwieg und sah mich an. Er schien auf eine Antwort zu warten.<br />
»Verstehst du mich?« fragte er.<br />
Ich verstand, was er gesagt hatte, aber ich selbst konnte mir nicht vorstellen, wie<br />
man ein solches Gefühl des Losgelöstseins erreichen sollte. Ich sagte, ich hätte in<br />
meiner eigenen Lehrzeit bereits den Augenblick erlebt, in dem das Wissen zu einer<br />
derart furchterregenden Angelegenheit wurde. Auch konnte ich ehrlich behaupten,<br />
daß ich mich nicht mehr auf die normalen Voraussetzungen meines täglichen Lebens<br />
verlassen konnte. Und ich wollte, ja vielleicht mehr noch, ich mußte lernen wie ein<br />
Krieger zu leben. »Dann mußt du dich loslösen«, sagte er. »Wovon?«<br />
»Löse dich von allem.« »Unmöglich. Ich möchte kein Eremit sein.« »Wer ein Eremit<br />
sein will, der läßt sich gehen, und das habe ich nie gemeint. Ein Eremit ist nicht<br />
losgelöst, denn er gibt sich willentlich seinem Eremitendasein hin.<br />
Nur der Gedanke an den Tod verhilft einem Mann zu einer so hochgradigen<br />
Gelöstheit, daß er sich an nichts mehr hingeben kann. Ein solcher Mann ersehnt<br />
nichts, denn er hat eine ruhige Freude am Leben und an allen Dingen des Lebens<br />
erlangt. Er weiß, daß der Tod hinter ihm schreitet und ihm nicht die Zeit läßt, sich an<br />
irgend etwas zu klammern. Und so versucht er alles und jedes, ohne sich je<strong>do</strong>ch<br />
daran zu hängen. Ein losgelöster Mann, der weiß, daß es keine Möglichkeit gibt, dem<br />
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