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Carlos Castaneda - Eine andere Wirklichkeit.do - Sapientia

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Tod zu entkommen, hat nur eines, worauf er sich stützen kann: die Macht seiner<br />

Entscheidungen. Er muß sozusagen Herr seiner Entscheidungen sein. Er muß ganz<br />

begreifen, daß er für seine Entscheidungen verantwortlich ist, und daß, wenn er sie<br />

einmal getroffen hat, keine Zeit für Reue oder Beschuldigungen bleibt. Seine<br />

Entscheidungen sind endgültig, einfach weil der Tod ihm nicht die Zeit läßt, sich an<br />

irgend etwas zu klammern.<br />

Und so, im Bewußtsein des Todes, losgelöst und mit der Macht seiner<br />

Entscheidungen, lebt der Krieger sein Leben wie eine strategische Aufgabe. Das<br />

Wissen um seinen Tod führt ihn, hilft ihm, sich zu lösen und gibt ihm Kraft und<br />

Gelassenheit. Die Macht seiner endgültigen Entscheidungen befähigt ihn, ohne<br />

Bedauern seine Wahl zu treffen, und was er wählt, ist immer strategisch das beste.<br />

So tut er alles, was er tun muß, mit Vergnügen und mit frischen Kräften. Wenn ein<br />

Mann sich so verhält, dann kann man mit Recht sagen, daß er ein Krieger ist und<br />

Geduld erlernt hat!«<br />

Don Juan fragte mich, ob ich noch etwas sagen wolle, und ich bemerkte, daß die<br />

Aufgabe, von der er sprach, die Zeit eines ganzen Lebens beanspruche. Er sagte,<br />

ich würde mir in seiner Gegenwart zu viele Gedanken machen, und er wüßte, daß ich<br />

mich im täglichen Leben wie ein Krieger verhielte, oder mich wenigstens so zu<br />

verhalten suchte.<br />

»Du hast recht scharfe Krallen«, sagte er lachend. »Zeig sie mir manchmal. Das ist<br />

eine gute Übung.« Ich machte die Geste des Krallenzeigens und knurrte, was ihn<br />

zum Lachen brachte. Dann räusperte er sich und sprach weiter.<br />

»Wenn ein Krieger Geduld gelernt hat, dann ist er auf dem Weg zu seinem Willen. Er<br />

hat gelernt zu warten. Der Tod sitzt neben ihm auf der Matte, sie sind Freunde. Der<br />

Tod berät ihn auf mysteriöse Weise, wie er sich entscheiden, wie er strategisch leben<br />

soll. Und der Krieger wartet. Ich behaupte, daß der Krieger ohne Eile lernt, weil er<br />

weiß, daß er auf seinen Willen wartet. Und eines Tages gelingt es ihm, etwas zu tun,<br />

was normalerweise ganz unmöglich wäre. Vielleicht bemerkt er nicht einmal das<br />

Außerordentliche seiner Tat. Aber wenn er weiterhin unglaubliche Taten vollbringt,<br />

oder wenn ihm immer wieder unmögliche Dinge widerfahren, dann wird ihm bewußt,<br />

daß irgendeine Macht in Erscheinung tritt, eine Macht, die aus seinem Körper kommt,<br />

während er auf dem Weg des Wissens fortschreitet. Zuerst ist es wie ein Jucken im<br />

Bauch oder wie eine heiße Stelle, für die es keine Linderung gibt; dann wird es ein<br />

Schmerz, ein starkes Unbehagen. Manchmal sind der Schmerz und das Unbehagen<br />

Seite 132

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