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Carlos Castaneda - Eine andere Wirklichkeit.do - Sapientia

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Unterholz zu einem Wasserloch. Das heißt, zu einer Stelle, die er als Wasserloch<br />

bezeichnete. Sie war so trocken wie die ganze Umgebung.<br />

»Setz dich mitten in das Wasserloch!« befahl er.<br />

Ich gehorchte und setzte mich hin.<br />

'»Wirst du dich auch hierhersetzen?« fragte ich. Ich sah, wie er sich etwa zwanzig<br />

Meter von der Mitte des Wasserlochs entfernt, neben den Felsen am Fuß des<br />

Berges, eine Stelle zum Sitzen suchte. Von <strong>do</strong>rt, sagte er, würde er mich<br />

beobachten. Ich saß und hatte die Knie an die Brust hochgezogen. Er korrigierte<br />

meine Haltung und befahl mir, das linke Bein unter dem Gesäß einzuschlagen und<br />

mein rechtes Bein anzuwinkeln, so daß das Knie hoch lag. Mit der rechten Faust<br />

sollte ich mich neben mir auf den Boden stützen und den linken Arm über der Brust<br />

anwinkeln. Er sagte, ich solle ihn anschauen und in dieser Haltung bleiben,<br />

entspannt, aber nicht lässig. Dann nahm er eine weiße Schnur aus seinem Beutel.<br />

Sie sah aus wie eine große Schlinge. Er legte sie um den Hals und streckte sie mit<br />

der linken Hand, bis sie straff gespannt war. Dann zupfte er die straffe Saite mit der<br />

rechten Hand. Sie machte ein dumpf vibrierendes Geräusch.<br />

Er lockerte den Griff, sah mich an und sagte, ich sollte in einen bestimmten Schrei<br />

ausbrechen, wenn ich spürte, daß irgend etwas über mich käme, während er die<br />

Saite zupfte.<br />

Ich fragte, was denn über mich kommen sollte, und er sagte, ich solle den Mund<br />

halten. Er gab mir mit der Hand ein Zeichen, daß er anfangen wolle. Aber er tat<br />

nichts. Statt dessen ermahnte er mich nochmals. Er sagte, wenn mich etwas sehr<br />

Bedrohliches überkommen würde, dann sollte ich eine Kampfform anwenden, die er<br />

mich vor Jahren gelehrt hatte und die darin bestand, zu tanzen, und zwar mußte ich<br />

mit der linken Fußspitze auf den Boden schlagen und mich dabei kräftig auf den<br />

linken Schenkel klopfen. Diese Kampfform gehörte zu einer Verteidigungstechnik, die<br />

in Fällen extremer Not und Gefahr anzuwenden war. <strong>Eine</strong>n Moment war ich sehr<br />

ängstlich. Ich wollte fragen, warum wir hierhergekommen waren, aber er ließ mir<br />

keine Zeit und begann die Saite zu zupfen. Er tat dies mehrmals in regelmäßigen<br />

Abständen von etwa zwanzig Sekunden. Ich bemerkte, daß er, während er<br />

weiterzupfte, die Spannung der Saite verstärkte. Deutlich sah ich, wie seine Arme<br />

und sein Hals vor Anstrengung zitterten. Das Geräusch wurde lauter, und dann<br />

bemerkte ich, daß er jedesmal, wenn er die Saite zupfte, einen bestimmten Schrei<br />

ausstieß. Das kombinierte Geräusch der straffen Saite und der menschlichen Stimme<br />

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