Carlos Castaneda - Eine andere Wirklichkeit.do - Sapientia
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verlassen, werden wir nicht mehr über Genaro sprechen oder an ihn denken. Ich<br />
möchte, daß du jetzt deine Gedanken ordnest. Wenn wir ihn treffen, mußt du einen<br />
klaren Kopf haben, und deine Seele darf keine Zweifel kennen.«<br />
»Auf welcherart Zweifel spielst du an, Don Juan?« »Jede Art von Zweifeln. Wenn du<br />
ihm begegnest, solltest du klar wie ein Kristall sein. Er wird dich sehen.« Diese<br />
eigenartige Warnung beängstigte mich. Ich wandte ein, vielleicht sollte ich seinem<br />
Freund überhaupt nicht begegnen, sondern ihn nur in die Nähe von Genaros Haus<br />
bringen und <strong>do</strong>rt absetzen.<br />
»Was ich dir gesagt habe, war nur eine Vorsichtsmaßnahme«, sagte er. »Du bist<br />
schon einmal einem Zauberer begegnet, Vicente, und er hätte dich beinahe getötet.<br />
Gib diesmal acht.«<br />
Nachdem wir in Zentralmexiko angekommen waren, brauchten wir noch zwei Tage,<br />
um von <strong>do</strong>rt, wo ich mein Auto abgestellt hatte, zum Haus seines Freundes zu<br />
gehen, einer kleinen Hütte, die an einem Berghang klebte. Don Juans Freund stand<br />
im der Tür, als erwartete er uns. Ich erkannte ihn sofort. Ich hatte ihn schon einmal<br />
kennengelernt, wenn auch nur sehr kurz, als ich Don Juan mein Buch brachte.<br />
Damals hatte ich ihn, abgesehen von einem kurzen Blick, nicht näher angesehen, so<br />
daß ich den Eindruck hatte, daß er so alt wie Don Juan war. Wie er <strong>do</strong>rt an seiner<br />
Haustür stand, stellte ich je<strong>do</strong>ch fest, daß er wesentlich jünger war. Er war vielleicht<br />
Anfang Sechzig. Er war kleiner als Don Juan und auch schlanker, sehr dunkel und<br />
drahtig. Sein Haar war dicht und leicht angegraut und ziemlich lang. Es wuchs ihm<br />
über die Ohren und die Stirn. <strong>Eine</strong> sehr imposante Nase gab ihm das Aussehen<br />
eines Raubvogels mit kleinen, dunklen Augen.<br />
Zuerst sprach er Don Juan an. Don Juan nickte bestätigend. Sie unterhielten sich<br />
kurz. Sie sprachen nicht spanisch, so daß ich nicht verstehen konnte, was sie<br />
sagten. Dann wandte sich Don Genaro an mich.<br />
»Willkommen in meiner bescheidenen Hütte«, sagte er entschuldigend auf spanisch.<br />
Seine Worte waren eine höfliche Redensart, die ich schon vorher in verschiedenen<br />
ländlichen Gegenden Mexikos gehört hatte. Aber als er diese Worte aussprach,<br />
lachte er ohne jeden ersichtlichen Grund, und ich wußte, daß er sich in der<br />
kontrollierten Torheit übte. Es machte ihm nicht das geringste aus, daß sein Haus nur<br />
eine Hütte war. Don Genaro gefiel mir sehr.<br />
An den nächsten beiden Tagen gingen wir in die Berge, um Pflanzen zu sammeln.<br />
Don Juan, Don Genaro und ich brachen jeden Morgen bei Beginn der Dämmerung<br />
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