Carlos Castaneda - Eine andere Wirklichkeit.do - Sapientia
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nennst du die Welt?«<br />
»Die Welt ist alles, was du hier siehst«, sagte er und stampfte auf den Boden.<br />
»Leben, Tod, Menschen, die Verbündeten und alles <strong>andere</strong> um uns her. Die Welt ist<br />
unbegreiflich. Wir werden sie nie verstehen; wir werden nie ihre Geheimnisse<br />
entschlüsseln. Wir müssen sie nehmen als das was sie ist, als reines Wunder! Aber<br />
ein durchschnittlicher Mensch tut das nicht. Für ihn ist die Welt nie ein Wunder, und<br />
wenn er alt ist, dann ist er überzeugt, daß es für ihn nichts mehr gibt, wofür er leben<br />
kann. Ein alter Mann hat die Welt nicht ausgeschöpft. Er hat nur ausgeschöpft, was<br />
die Leute tun. Aber in seiner törichten Verblendung glaubt er, die Welt habe keine<br />
Wunder mehr für ihn. Welch erbärmlichen Preis zahlen wir für unsere Schilde! Ein<br />
Krieger ist sich dieser Verblendung bewußt und lernt, die Dinge richtig zu sehen. Die<br />
Dinge, die Menschen tun, können niemals wichtiger sein als die Welt. Darum ist für<br />
den Krieger die Welt ein unendliches Wunder und das, was die Leute tun, eine<br />
endlose Torheit.«<br />
15.<br />
Ich begann mich darin zu üben, auf die »Geräusche der Welt« zu lauschen, ich tat es<br />
zwei Monate, wie Don Juan mir aufgetragen hatte. Anfangs war es eine Qual, zu<br />
horchen statt zu schauen, aber noch qualvoller war es, nicht mit mir selbst zu<br />
sprechen. Gegen Ende der zwei Monate war ich fähig, meinen inneren Dialog für<br />
kurze Zeitspannen auszuschalten und konnte auch auf Geräusche achten.<br />
Am 10. November 1969 traf ich morgens um neun Uhr bei Don Juan ein.<br />
»Wir sollten uns sofort auf die Reise machen«, sagte er gleich bei meiner Ankunft.<br />
Ich ruhte mich eine Stunde aus, und dann fuhren wir in Richtung der flachen Berge<br />
im Osten. Wir ließen das Auto in der Obhut eines seiner Freunde, der in dieser<br />
Gegend wohnte, und wanderten ins Gebirge. Don Juan hatte ein paar Kekse und<br />
süße Semmeln für mich in einen Rucksack getan. Wir hatten genügend Proviant für<br />
ein oder zwei Tage. Ich fragte Don Juan, ob wir nicht mehr brauchten. Er schüttelte<br />
verneinend den Kopf.<br />
Wir gingen den ganzen Vormittag. Es war ein recht heißer Tag. Ich hatte eine<br />
Feldflasche mit Wasser bei mir, von dem ich das meiste selbst trank. Don Juan trank<br />
nur zweimal. Als das Wasser zu Ende war, versicherte er mir, daß man gut aus den<br />
Bächen trinken könne, an denen wir auf unserem Weg vorbeikamen. Er lachte über<br />
meinen Widerwillen. Nach kurzer Zeit war mein Durst stärker als meine<br />
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