Carlos Castaneda - Eine andere Wirklichkeit.do - Sapientia
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Er stieg noch weiter nach oben, verlor noch mal den Halt und hing gefährlich an einer<br />
überhängenden Felswand. Diesmal hielt er sich mit der linken Hand fest. Als er das<br />
Gleichgewicht wiedergewonnen hatte, drehte er sich um und schaute wieder rüber.<br />
Er glitt noch zweimal aus, bevor er die Spitze erreichte. Von <strong>do</strong>rt, wo wir saßen,<br />
schien der Scheitel des Wasserfalls sechs bis sieben Meter breit.<br />
Don Genaro stand einen Augenblick bewegungslos da. Ich wollte Don Juan fragen,<br />
was Don Genaro <strong>do</strong>rt oben vorhatte, aber Don Juan schien so stark von der<br />
Beobachtung in Anspruch genommen, daß ich nicht wagte, ihn zu stören. Plötzlich<br />
sprang Don Genaro über das Wasser. Das geschah so völlig unerwartet, daß ich ein<br />
leeres Gefühl im Magen hatte. Es war ein wundervoller, fremdartiger Sprung. <strong>Eine</strong><br />
Sekunde lang hatte ich ganz deutlich den Eindruck, als sähe ich eine •Reihe von<br />
übereinandergelagerten Abbildern seines Körpers, die in einer elliptischen Kurve zur<br />
Mitte des Flusses flogen. Als meine Überraschung sich gelegt hatte, bemerkte ich,<br />
daß er auf einem Felsen direkt an der Kante des Wasserfalls gelandet war, einem<br />
Felsen, der von <strong>do</strong>rt, wo wir saßen, kaum zu sehen war.<br />
Dort oben hockte er längere Zeit. Er schien gegen die Gewalt des anströmenden<br />
Wassers anzukämpfen. Zweimal hing er über dem Abgrund, und ich konnte nicht<br />
erkennen, woran er sich festhielt. Er gewann das Gleichgewicht wieder und hockte<br />
auf dem Felsen. Dann sprang er wie ein Tiger weiter. Ich konnte kaum den nächsten<br />
Felsen sehen, auf dem er landete. Es war ein kleiner Kegel direkt an der Kante des<br />
Wasserfalls. Dort verharrte er beinah zehn Minuten, ohne sich zu bewegen.<br />
Seine Bewegungslosigkeit war so eindrucksvoll, daß ich zitterte. Ich wollte aufstehen<br />
und ein paar Schritte gehen. Don Juan bemerkte meine Nervosität und herrschte<br />
mich an, ruhig zu sein.<br />
Don Genaros Ruhe löste in mir einen ungewöhnlichen und mysteriösen Schrecken<br />
aus. Ich hatte das Gefühl, ich mußte die Beherrschung verlieren, wenn er länger <strong>do</strong>rt<br />
hockenblieb.<br />
Plötzlich sprang er weiter, diesmal ganz hinüber zum <strong>andere</strong>n Ufer des Wasserfalls.<br />
Er landete wie eine Katze auf Händen und Füßen. Er blieb einen Moment in<br />
hockender Stellung, dünn stand er auf und schaute über den Wasserfall hinweg zum<br />
<strong>andere</strong>n Ufer und dann zu uns. Er blieb totenstarr, als er uns anschaute. Seine<br />
Hände waren seitlich geballt, als hielte er sich an einem unsichtbaren Geländer fest.<br />
In seiner Haltung lag irgendwie etwas wirklich Überwältigendes. Sein Körper wirkte<br />
so gewandt, so fragil. Ich dachte, daß Don Genaro mit seinem Stirnband und den<br />
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